Juan Manuel Fangio und Sir Stirling Moss steuerten in den Mercedes-Benz W 198 R, den berühmten Stromlinienwagen zu vielen spektakulären Erfolgrn. 1965 schenkte Mercedes-Benz die Rennwagen-Ikone dem Indianapolis Motor Speedway Museum.
Nun soll das ganz besondere Stück am 1. Februar 2025 neue Besitzer finden – standesgemäß bei einer exklusiven Veranstaltung von RM Sotheby’s in Stuttgart in Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz Classic. Der erzielte Preis dürfte ebenso beeindruckend sein wie die Renngeschichte des W 196 R.
Der W 196 R mit der Chassis Nr. 00009/54 ist eins von nur vier bekannten komplett erhaltenen Exemplaren mit Stromlinienkarosserie mit geschlossenen Kotflügeln. Das Fahrzeug gehört zu der herausragenden Kollektion des Indianapolis Motor Speedway Museums, die durch RM Sotheby’s verkauft wird, um die Sammlung und Restaurierungsarbeiten des Museums zu finanzieren.
Nur wenige historische Rennwagen sind so bekannt wie die Mercedes-Benz „Silberpfeile“. Sie dominierten in der unmittelbaren Vor- und Nachkriegszeit den Grand-Prix-Rennsport und wurden für ihre fortschrittliche Technik und sensationellen Geschwindigkeiten bewundert. Der W 196 R wurde entwickelt, um dem ab 1954 geltenden Reglement für Fahrzeuge mit bis zu 2,5 Litern Hubraum zu entsprechen. Schon bald zeigte sich, dass er mit Legenden wie Juan Manuel Fangio und Stirling Moss am Steuer nahezu unschlagbar war.
Der W 196 R verfügt über einen Reihen-Achtzylindermotor mit 2494 Kubikzentimetern Hubraum und einer aufwendig gelagerten Hirth-Kurbelwelle. Das Triebwerk mit Kraftstoffeinspritzung besteht im Wesentlichen aus zwei Vierzylindermotoren mit je zwei Nockenwellen für Ein- und Auslass. Dieses Schmuckstück garantiert eine zuverlässige und gleichmäßige Leistungsabgabe und lieferte nach zwei Entwicklungsjahren 213 kW (290 PS).
Die neue Formel von 1954 sah nur wenige Einschränkungen für die Karosserie vor. Deshalb beschloss Mercedes-Benz, sowohl eine stromlinienförmige, aerodynamische Karosserie mit umschlossenen Rädern zu entwickeln, um das Fahrzeug für Hochgeschwindigkeitskurse zu optimieren. Dazu kam ebenfalls eine offene Karosserie mit freistehenden Rädern für kurvenreichere Strecken.
Die neuen Mercedes-Benz Rennwagen gaben ihr Debüt beim Großen Preis von Frankreich in Reims mit drei neuen W 196 R Stromlinienfahrzeugen. Mercedes-Benz erzielte einen Doppelsieg: Das Fahrerteam Juan Manuel Fangio, Karl Kling und Hans Herrmann kam auf die Plätze 1, 2 und 7, Herrmann fuhr die schnellste Runde des Rennens. Das Rennen war ein großer Erfolg für Mercedes-Benz bei der Rückkehr in den Rennsport. Juan Manuel Fangio sicherte sich 1954 die Formel-1-Weltmeisterschaft mit dem neuen Silberpfeil.
Fahrgestellnummer 00009/54 im Wettbewerb
Für die Saison 1955 wurde der W 196 R weiterentwickelt. Der Motor wurde in vielen Punkten verbessert, unter anderem mit einem neuen Ansaugkrümmer. Bei fast allen Rennen des Jahres 1955 entschied man sich für die offene Karosserie mit freistehenden Rädern, wobei Verbesserungen und Modernisierungen eine Gewichtsreduktion von etwa 70 Kilogramm gegenüber den Vorgängern brachten. Das Rennteam gewann außerdem Stirling Moss als Verstärkung für seinen Fahrerstamm.
Der formelfreie Große Preis von Argentinien in Buenos Aires am 30. Januar 1955 war das erste Rennen für die Fahrgestellnummer 00009/54, ausgestattet mit der offenen Monoposto-Karosserie und mit Juan Manuel Fangio am Steuer. Fangio holte die Pole-Position und gewann auf diesem Fahrzeug schließlich das Rennen, das über zwei Läufe ausgetragen wurde.
1955 wurde die Rennstrecke von Monza mit einer neuen Hochgeschwindigkeitskurve ausgebaut, die in der Motorsportwelt legendär ist. Für den Großen Preis von Italien wurde deshalb entschieden, das Chassis mit der Nummer 00009/54 in der Saison 1955 erstmals mit der Stromlinienkarosserie auszustatten und Stirling Moss als Fahrer einzusetzen. Fangio sicherte sich in einem ähnlichen Wagen die Pole-Position, während Moss vom zweiten Startplatz aus losfuhr. Moss übernahm in der neunten Runde die Führung von Fangio, kam jedoch aufgrund mechanischer Probleme nur auf Platz 7 ins Ziel. Immerhin fuhr der Engländer auf der Fahrgestellnummer 00009/54 die schnellste Runde des Rennens mit einer Zeit von 2:46,900 Minuten und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 215,7 km/h.
Am Ende der Formel-1-Saison 1955 gewann Fangio zum zweiten Mal in Folge die Formel-1-Fahrerweltmeisterschaft. Moss belegte den zweiten Platz und besiegelte damit den Legendenstatus des W 196 R.
Die Rennsportqualitäten des W 196 R standen nun außer Zweifel. In zwei Saisons hatte die Modellfamilie W 196 – zu der auch die zweisitzige Rennsportwagenvariante 300 SLR (W 196 S) gehört – drei Meisterschaften in zwei verschiedenen Rennserien geholt. Bei zwölf Einsätzen in der Formel 1 hatte der W 196 R neunmal souverän gewonnen, dazu kamen noch zwei Siege bei nicht zu den Punkterennen zählenden Wettbewerben, insgesamt also elf Siege bei 14 Starts.
Im Jahr 1964 wurde die Fahrgestellnummer 00009/54 dem Indianapolis Motor Speedway Museum als Schenkung zugesagt und am Sonntag, dem 30. Mai 1965, offiziell an die Indianapolis Motor Speedway Foundation übergeben. Fast sechs Jahrzehnte lang wurde der W 196 R vom IMS Museum sorgfältig gepflegt und gewartet.
Der Rennwagen ist erst der zweite W 196 R, der jemals für Privatpersonen angeboten wird, und das erste Exemplar mit der Stromlinienkarosserie. Er wird in seiner originalen Monza-Lackierung vom Großen Preis von Italien 1955 präsentiert und ist mit einer Fülle zeitgenössischer Materialien.
Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler