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Zeitgut-Weihnachtsgeschichte: Das Weihnachtsgeschenk

... von Babette Reineke



Alle Jahre wieder bieten wir Ihnen in Zusammenarbeit mit dem Zeitgut-Verlag auch diesmal stimmungsvolle Weihnachtsgeschichten. Lebendige Originalfotos und Illustrationen runden diese ergreifenden Geschichten aus der Buchreihe "Unvergessene Weihnachten" ab.

(Görmar bei Mühlhausen, Thüringen; 1943) Wir schrieben das Kriegsjahr 1943. Dieses Jahr hatte uns den Vater genommen, oder waren es die Russen gewesen? Jedenfalls deckte ihn seit einigen Wochen russische Erde zu. Mutter ging es wie so vielen in jener Zeit: Sie stand mit uns drei unmündigen Kindern allein da. Es war für uns alle eine traurige Zeit und trotzdem wurde es Weihnachten!
"Wir werden nur einen Tannenzweig schmücken", sagte Mamusch, "und überhaupt wird der Weihnachtsmann kaum etwas zum Bringen haben!"

Ich konnte das gut verstehen, denn aus der Schule wußte ich, daß alle Güter an der Front gebraucht wurden. Mit Phantasie und bescheidenster Zutaten gab es dennoch genug Heimlichkeiten in der Weihnachtszeit.

Es gab aber auch, besonders in den Nächten, Fliegeralarm. Dann mußten wir unser warmes Bett mit dem kalten Kohlenkeller tauschen. Unser Kinderzimmer stand längst schon leer, fühlten wir uns doch im elterlichen Schlafzimmer, so nah bei Mutter, geborgener. Sie hatte Brüderleins "Gatterbett" herübergeholt, das Baby schlummerte in seiner Wiege und ich selbst im Ehebett auf Vaters Seite - bis Heiligabend. Eine unerklärliche Sehnsucht nach meinem Kinderbett erfaßte mich. Erinnerung an vergangene Weihnachten, als Pa' solch tolle Einschlafgeschichten erzählte?

Wie dem auch sei, ich begab mich am Heiligen Abend ins Kinderzimmer und in mein angestammtes Bett. Mit meinen elf Jahren glaubte ich zwar nicht mehr an den Weihnachtsmann, dennoch an irgendeine kleine Freude, die der Weihnachtsmorgen bringen würde. Man muß wissen, daß in Thüringen erst dann Bescherung ist, und daß schon vor Tag. Punkt 5 Uhr nämlich rufen die Glocken zur Christmette, somit haben daheim Knecht Ruprecht oder das Christkind freie Bahn.

Nun lag ich endlich wieder in den eigenen Federn, ganz schön klamm und kalt waren sie. Das Fußende war an einer Ecke hochgeschoben, und die Tür stand fast immer offen. Kein Wunder, daß die Kälte reingekrochen war! - Brrrr! - So langsam kroch sie auch in mir hoch und ich kroch um so tiefer unter das dicke Federbett.

Horch! War da nicht eben ein verhaltenes Weinen?
Sollte es vom Schwesterchen nebenan gekommen sein?

Unmöglich für mich, es zu hören, steckte ich doch bis über die Ohren und zusammengerollt wie ein Igel in meinem Nestchen! Nun wurde mir schon wärmer. Wohlig streckte ich meine Füße aus, doch wie von einer Tarantel gestochen, zog ich sie sogleich wieder zurück. Was in aller Welt war das? Da war etwas Warmes, Weiches gewesen und bewegt hatte es sich auch. Mir sträubten sich die Nackenhaare! War dies ein böser Traum? Doch da war es wieder, dieses leise Wimmern, und es kam just vom Fußende meines Bettes!

Vor Aufregung zitternd schlug ich die Bettdecke zurück und erblickte, eng aneinandergeschmiegt, fünf fiepende Katzenbabys. So hilflos und verlassen waren sie und anscheinend sehr hungrig. Mich dauerte dieser jammervolle Anblick. Minka! schoß es mir durch den Sinn. Nur sie konnte die Mutter der Kleinen sein! Wo steckte sie, unsere getigerte Hauskatze, der Schrecken aller Mäuse?

Just in diesem Moment war ein leises Kratzen an der Tür zu hören und Minkas klägliches "Miaaau". Hurtig ließ ich sie ein: "Du weckst ja noch das ganze Haus, Minkemau! Und überhaupt, was hast du dir dabei gedacht? Für uns alle ist das Bett nicht groß genug!"

Minka schaute mich nur grünäugig an und sprang sofort zu ihren Jungen aufs Bett. "Miaumaumau", machte sie und betrachtete wohlgefällig ihre schmatzend an ihr saugenden Winzlinge. Es war schon ein erhebender Anblick und nur die Kälte, die höchst unangenehm meine nackten Beine mit einer Gänsehaut überzog, vermochte mich davon loszureißen.

"Na gut, weil Weihnachten ist!"

Leise schlich ich aus dem Zimmer und überließ Minka samt Nachwuchs das Feld. Danke, Sammetpfötchen, für ein wundervolles Weihnachtsgeschenk, wie ich es nie wieder bekommen habe!

Unvergessene Weihnachten Band 3
Zeitgut Verlag Berlin 
Preis: 8,90 Euro
ISBN 978-3-86614-122-3

 


Veröffentlicht am: 09.12.2024

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