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Im Rückspiegel: Mercedes-Benz S-Klasse

Generation S (2)

Die S-Klasse von Mercedes-Benz ist der Inbegriff der Luxuslimousine – und das trotz einer Inflation von Konkurrenzmodellen. Denn die Erfahrung der Stuttgarter reicht weiter zurück.

Und die Verkaufszahlen liegen noch im Auslauf des Vorgängermodells höher als diejenigen von Audi A8 und BMW 7er zusammen. Wir sind jede Modellgeneration gefahren – vom „Ponton“ aus den 50er-Jahren bis hin zum brandneuen W 223, der in dieser Woche offiziell vorgestellt wurde.

W 116 – Debüt 1972

Schon 1971 hatten die Schwestermodelle SL und SLC (Typ 107) einen neuen Stil mit Breitband-Scheinwerfern und großen, geriffelten Blink- und Rückleuchten eingeführt. Mit dem W 116 hielt diese Formensprache auch in der S-Klasse Einzug. Sie debütierte im Herbst 1972 in Paris. Für die von der statusorientierten Kundschaft erwartete Ornamentik sorgten unter anderem verchromte Doppelstoßstangen. Mit 496 Zentimetern (SEL: 506) Länge, 187 Zentimetern Breite und 143 Zentimetern Höhe wuchs die Baureihe weiter. Für Vortrieb sorgten Sechs-Zylinder-Reihenmotoren (280 S: 160 PS, 280 SE/SEL: 185 PS/136 kW) bzw. V-8-Motoren (350 SE/SEL: 200 PS, 450 SE/SEL: 225 PS/166 kW). 1975 folgte das wegen der Ölkrise um mehr als ein Jahr verspätete Spitzenmodell 450 SEL 6.9 – mit stolzen 286 PS (210 kW). Selbst diese Variante blieb noch unter der Zwei-Tonnen-Marke. Die Automatik für die V8-Motoren, jetzt mit Wandler, hatte nur noch drei Gänge, die Sechszylinder und den 350er gab es weiterhin mit Handschaltung.

In den USA kam übrigens die erste S-Klasse mit Selbstzünder auf den Markt: der 300 SD Turbodiesel. Wir fuhren indessen einen 350 SE – immerhin mit Automatik. Mercedes-Benz ließ sich in den 70er-Jahren fast jedes Extra teuer bezahlen – zum Beispiel den Drehzahlmesser oder den rechten Außenspiegel. Besonders dynamisch wirkt der 350 SE nicht, aber 10,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h und die Spitze von 205 km/h sind objektiv keine schlechten Werte für diesen V8. Er schenkt sich dafür allerdings nach zeitgenössischen Angaben bis zu 20 Liter Superbenzin pro 100 Kilometer ein.

W 126 – Debüt 1979

Er gilt heute als die S-Klasse schlechthin: der W126 mit sachlich-modernem Design, perfekter Verarbeitungsqualität und viel modernerem Auftritt als das Vorgängermodell. Gezeichnet wurde die Baureihe von Josef Gallitzendörfer. Zum Marktstart standen 280 S (156 PS/115 kW), 280 SE/SEL (185 PS/136 kW), 380 SE/SEL (218 PS/160 kW) und 500 SE/SE (240 PS/177 kW) im Angebot. Der 450 SEL 6.9 erhielt keinen Nachfolger, aber wegen der hervorragenden Aerodynamik (cw-Wert von 0,36) erreichten die Fahrleistungen des neuen 500ers annähernd das Niveau des Sechs-Neuners. Nach kurzer Zeit reduzierte Mercedes-Benz die Motorleistung der V8-Motoren auf 204 (150 kW) bzw. 231 PS (170 kW), um den Verbrauch zu senken („Energiekonzept“). Die Maße: 500 bzw. 516 Zentimeter Länge, 182 Zentimeter Breite und 143 Zentimeter Höhe.

Die gute Stimmung in Stuttgart wurde im Jahre 1986 empfindlich durch die Einführung des unerwartet anspruchsvollen BMW 7er (E32) gedämpft, dessen Modellprogramm zu allem Überfluss durch einen 300 PS (221 kW) starken 5,0-Liter-V12 gekrönt wurde. Mercedes-Benz lancierte gleichzeitig ein Facelift mit geglätteten Flanken und Felgen – und setzt den ebenfalls bis zu 300 PS starken 560 SEL an die Spitze des Programms. Die Motorleistungen schwankten je nach Abgasreinigung stark, beim 560er beispielsweise von 242 (178 kW) bis 300 PS. Die katalysatorfreie Variante erreicht glatte 250 km/h. Der letzte Vergasermotor in der S-Klasse im 280 S entfiel mit dem Facelift, dafür kam der 260 SE. Die 280er-Modelle wurden durch den 300 SE/SEL, der 380er durch den 420 SE/SL ersetzt. Beim 500er blieb der Hubraum unverändert.

In den USA gab es wieder Dieselmotoren – zunächst den 300 SD Turbo mit Fünf-Zylinder-Motor, ab 1985 einen 300 SDL Turbo mit Sechszylinder und im letzten Baujahr schließlich den 350 SDL Turbo mit einem 3,5-Liter-Sechszylinder, der auch ins Nachfolgemodell wanderte. Übrigens gab es auch wieder ein echtes S-Klasse-Coupé – nämlich die SEC-Modelle, die ab 1981 den SLC ersetzten.

Noch heute ist der W126 im Straßenbild präsent, er erregt wenig Aufsehen. Die Lenkung ist exakter als beim Vorgängermodell, das breite Kunststoffarmaturenbrett sowie die durchgestylten Türverkleidungen lassen das Auto noch heute modern wirken. Und die Türen fallen mit unnachahmlichem Klang ins Schloss.

W 140 – Debüt 1990

Auf dem Genfer Salon 1990 wurde der W140 vorgestellt, für die Fahrpräsentation ließ man die Auffahrt zum Hotel neu asphaltieren: Mercedes-Benz ist bei dieser S-Klasse-Generation vielleicht etwas über das Ziel hinausgeschossen. Die Einstiegsmodelle 300 SE/SEL lagen mit 231 PS (170 kW) auf dem Niveau des 500ers ein Jahrzehnt zuvor. Darüber rangierten die Achtzylindermodelle 400 SE/SEL (286 PS/210 kW) und 500 SE/SEL (326 PS/240 kW). Ganz oben positionierten die Stuttgarter den 600 SEL, der mit einem 6,0-Liter-V12 mit 48 Ventilen auf 408 PS (300 kW) kam. Kenner genossen den Seitenhieb auf BMW, wo der Zwölfzylinder 300 PS produzierte.

In dem Bemühen, die Frage nach dem besten Auto der Welt ein und für allemal zu beantworten, gaben die Ingenieure dem Drang nach Perfektion und Verfeinerung hemmungslos nach. So ließ sich optional sogar der Innenspiegel elektrisch verstellen; der Chromgriff für den Kofferraumdeckel fuhr elektrisch ein und aus, und um das 5,11 bzw. 5,21 Meter lange, 1,89 Meter breite und mit 1,49 Meter wieder deutlich höhere Auto sicher einparken zu können, fuhren chromglänzende Peilstäbe aus den hinteren Karosserieecken aus. Ursprünglich sollte nur eine Langversion kommen, erst spät entschied man sich dafür, eine kurze Variante zu entwickeln. Und der W 140 war der erste Mercedes-Benz mit dem neuen Plakettengrill. Der Auspuff verschwand unsichtbar unter dem Heckstoßfänger. Doch es half nicht.

Anstatt den Daimler-Ingenieuren Applaus für die technische Glanzleistung zu zollen, erhob sich beim heimischen Publikum ein Sturm der Entrüstung. Man hätte einen „Dinosaurier“ auf die Räder gestellt, lamentierten die Lautsprecher der öffentlichen Meinung. Und für den Autozug war die S-Klasse mit einem Mal zu breit. Die Kritik der damals hochrespektierten Qualitätspresse traf die Entwickler ins Mark. Im Laufe der Bauzeit wurden Turbodiesel-Varianten nachgereicht, es gab ein Einstiegsmodell namens 300 SE 2.8, die Leistung der V8- und V12-Motoren wurde reduziert. Der 280er war in der Grundausstattung mit einer Fünf-Gang-Handschaltung mit Sport-Schaltschema ausgerüstet, anfangs gab es dieses Getriebe auch im 300 SE/SEL. Der Diesel kam nunmehr nach Europa: Es gab einen Zweiventiler-Turbo mit 3,5 Litern Hubraum, der später durch einen 3,0-Liter-Vierventiler ersetzt wurde. Im Laufe der Bauzeit hatte Mercedes-Benz den W 140 leicht entfeinert, dafür wurden Elektronik-Optionen wie das ESP-System nachgereicht. Und Mercedes-Benz stellte die Nomenklatur um: Die Baureihen-Bezeichnung wanderte vor die Hubraumangabe.

Der 600 SEL trug seine Modellbezeichnung anfangs sogar unbescheiden auf der Armaturentafel. Sein Zwölfzylinder sollte eigentlich nur knapp 360 PS (265 kW) liefern, kurz vor Schluss hatten die Ingenieure noch einmal nachgelegt. Damit wurde die Drehmomentcharakteristik etwas spitzer, dennoch fährt sich der 600er ungemein souverän. Der feine, aggressive Klang erinnert an einen Reihen-Sechszylinder. Bei 250 km/h rauscht der 600er in die Abregelung. In den Kurven neigt sich das Auto zwar spürbar zur Seite, dennoch liegt der Grenzbereich hoch. Ein 400er oder 500er ist harmonischer, doch die Faszination eines Zwölfzylinders ist unschlagbar. Abgehobener war vorher und nachher keine S-Klasse mehr.

Fotos: Auto-Medienportal.Net/Daimler

 


Veröffentlicht am: 29.10.2020

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