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Schwindel um den Elektroflitzer Uniti

... von Jens Meiners, Autoren-Union Mobilität



Sie beflügelt die Phantasie der Politiker, der Medien – und der Investoren: Die Elektromobilität hat im Finanzsektor und bei Glücksrittern Goldgräberstimmung hervorgerufen. Ob nun unter dem Label „Verkehrswende“ oder „große Transformation“: Man erwartet einen Kreativitätsschub und gewaltige Kapitalströme.

Weil jeder bald elektrisch fahren soll, gibt es viel zu verdienen. Dass sich dabei auch unseriöse Anbieter im Geschäft tummeln, das hat zuletzt das schwedische „Filter Magazine“ aufgedeckt. Es hat die dort ansässige Firma Uniti Motors unter die Lupe genommen.

Sie versprach 2017 nicht weniger als das Auto der Zukunft: Den Uniti One, einen elektrischen Dreisitzer mit 300 Kilometern Reichweite und futuristischem Design. In Landskrona am Öresund sollte eine moderne Fabrik entstehen, so das Versprechen, mit dem gleich zum Start der Firma per Crowdfunding ein siebenstelliger Euro-Betrag eingehoben wurde.

Das „vollautomatisierte“ Werk wurde nie gebaut, während Firmengründer Lewis Horne seine Erzählung modifizierte: Nun sollte der Uniti im britischen Silverstone gebaut werden – ab 2020 und in nicht weniger als 300.000 Einheiten pro Jahr. Im Herbst 2019 annoncierte er vollmundig einen Preis für den britischen Markt: 15.100 Pfund (knapp 18.000 Euro) – „inklusive der staatlichen Subventionen.“ Und dampfplauderte: „Dies ist erst der Anfang unserer Reise in eine nachhaltigere Zukunft.“

Doch dann tat sich erneut nichts – bis Uniti seinen Investoren im Sommer 2021 ein fertiges Auto präsentierte, den Uniti Zero. Der jedoch sah nicht mehr aus wie der futuristische Prototyp namens One, sondern es wies auffallende Ähnlichkeiten mit dem chinesischen Billigauto Zhidou D3 auf. Keine Spur von einem neuen Ansatz. Als das irgendwann auffiel, gelangte die peinliche Geschichte in die Öffentlichkeit.

Dem Nachrichtenmagazin „Focus“ schrieb Horne: „Start-ups tun, was sie mit den verfügbaren Ressourcen tun können. Am Anfang kommunizieren sie ihre Vision, zeigen sie der Welt und bitten um Kapital, um sie umzusetzen. Wenn sie das Kapital nicht bekommen, verschwinden sie oder sie lösen die Probleme, die ihren Erfolg verhindern.“

„Wir haben es nicht geschafft, das für unsere Uniti-One-Fabrik nötige Kapital einzuheben, also haben wir taktisch eine existierende Plattform und Produktionslinie genutzt (Red.: des Zhidou D3).“ Das sei in der Autoindustrie so üblich, behauptet Horne und fordert uns auf, uns per Google-Suche über Fahrzeuge mit identischer Plattform kundig zu machen. Horne: „Wir wollen den Uniti Zero einführen und einen finanziellen Grundstock aufbauen, um wie geplant den Uniti One zu bauen.“

Horne schließt mit dem Hinweis, dass „durch eine verschwörungstheoritische Linse betrachtet“ und die vom „Filter Magazine“ aufgeschriebene Geschichte ja nur dazu diene, Abonnenten zu generieren. Und das erinnert fatal an Äußerungen anderer Elektro-Gurus, die gerne von Verschwörungen fabulieren – ob nun „Big Oil“ oder etablierte Autokonzerne dahinterstecken.

Das schwedische Start-up befindet sich in zwar nicht illustrer, dafür jedoch zahlreicher Gesellschaft. Denn es sind in jüngster Zeit etliche Elektroauto-Projekte an die Wand gefahren. So zum Beispiel die US-amerikanische Firma Local Motors, die zunächst beeindruckende 3-D-gedruckte Spaßautos vermarktete, dann aber mit einem autonomen und vollelektrischen Van namens Olli das große Geschäft witterte. Der selbstfahrende Pannen-Van, abgeleitet aus einem Fahrzeug der „Urban Mobility Challenge: Berlin 2030“, machte zuletzt mit einem schweren Unfall von sich reden, bei dem allerdings ein Fahrer am Steuer gesessen haben soll. Am 14. Januar gingen nun bei Local Motors die Lichter aus.

Das Damoklesschwert enttäuschter Investoren schwebt auch über Faraday Future, dem kalifornischen Start-up des exzentrischen Pleitiers und vormaligen Milliardärs YT Jia, sowie über der Marke Fisker, deren Chef und Gründerfigur Henrik Fisker sich auf dem Kurznachrichtendienst Twitter gerne in epischer Breite mit Skeptikern auseinandersetzt. Und die Aktie des Start-ups Canoo, das eigentlich noch heuer mit einem elektrischen Van auf den Markt kommen will, ist im Vergleich zu ihrem Höhepunkt inzwischen um zwei Drittel abgestürzt.

In Deutschland hat die Post gerade die hauseigene Marke Streetscooter, die einst unter großspurigen Ankündigungen den Betrieb aufnahm, wie eine heiße Kartoffel fallengelassen. Das Projekt „blamiert die deutsche Autoindustrie“, stichelte das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ im Jahre 2014. In den Folgejahren sorgte das Gefährt indessen meist für Negativ-Schlagzeilen: Mal beschwerten sich Postboten, dass sie im Dunkeln ohne Heizung und Licht fahren müssten, um die Reichweite nicht ins Bodenlose fallenzulassen, mal profilierten sich die kleinen Transporter durch spontane Selbstentzündung. Und auch der Sirion des Münchener Unternehmens Sono Motors lässt immer noch auf sich warten.

Auf welch tönernen Füßen die E-Branche steht, bewiesen die Reaktionen auf eine Investoren-Telefonkonferenz von Tesla vor wenigen Wochen. Die Analysten hatten auf euphorische Visionen gewartet, um sie ihren Kunden durchreichen zu können. Doch Firmenchef Elon Musk goss Wasser in den Wein: Es gebe in der Produktion nach wie vor Lieferkettenprobleme, und die längst überfälligen Modelle Semi, Roadster und Cybertruck würden wohl frühestens 2023 auf den Markt kommen. Was Insider wohl kaum überraschen dürfte.

Doch schon diese harmlosen Äußerungen sorgten für gelinde Panik: „Wir wollten Zuversicht von Musk“, lamentierte der Analyst Dan Ives von Wedbush Securities. „Statt dessen redete Musk von Robotern und der Lieferkette.“ Es habe keinen Grund gegeben, „das Wort ‚Lieferkette‘ in ein überfülltes Theater zu rufen“. Prompt begab sich die Tesla-Aktie auf eine rasante Talfahrt, die in der Folge den gesamten E-Auto-Sektor mitriss. Offenbar war den Anlegern vorübergehend die Phantasie ausgegangen.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Uniti Motors (Screenshot)

 


Veröffentlicht am: 10.02.2022

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