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Der Genesis Electrified G80 im Praxistest

Für Jens Riedel ist er ein stiller Souverän



Zu Beginn der Elektromobilität war es gang und gäbe, vorhandene Verbrenner zum Batterieauto umzufunktionieren. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet und es kommen immer mehr Modelle auf die Straße, die von vornherein ausschließlich als Stromer konzipiert worden sind.

So wie beispielsweise der Genesis GV60. Da verwundert es beinahe, dass Hyundais Edelmarke anschließend einige Benzin- und Dieselmodelle nachträglich wahlweise auch noch mit Elektroantrieb anbietet. So wie die Limousine G80.

Ganz so, wie es scheint, ist es dann aber doch nicht. Tatsächlich war der Electrified G80 das erste Elektroauto der Marke, als er auf der Auto Shanghai 2021 präsentiert wurde. Nach Europa kam die Baureihe aber zunächst nur als klassischer Verbrenner, die Ehre des ersten E-Autos von Genesis wurde hierzulande dem GV60 zuteil. Dem elektrifizierten G80 folgte dann zuletzt noch der Electrified GV70.

Wie zuvor der GV60 wird auch der Electrified G80 der noch jungen Marke aufgrund seines geflügelten Logos von Passanten gerne zum Bentley erkoren. Den Besitzer darf es freuen und schmeicheln. Als Edelmarke des Hyundai-Konzerns erfüllt Genesis aber ohnehin Premiumansprüche. Beim Blinken etwa springt die Kamera, je nach Fahrtrichtung, in einer der beiden Rundinstrumente an und erweitert den seitlichen Blickwinkel. Es gibt jede Menge weiterer technischer Features, teilweise auch eher spielerischer Natur. So zeigt das Infotainmentsystem im Home-Zustand ein zur aktuellen Witterung passendes Wetterbild an, und die Insassen können sich statt von Radiomusik auch von Stimmungsgeräusche wie einem knisterndes Kaminfeuer oder Regen im Wald berieseln lassen. Ein wenig störend, beinahe schon gespenstisch wirken allerdings im Dunkeln die beiden Infrarotaugen der Müdigkeitserkennung im Cockpit. Und auch der Drehdrücksteller kann nicht hundertprozentig überzeugen: Er ist ziemlich flach und dürfte zwecks einfacherer Bedienbarkeit gerne ein bisschen weiter aus der Mittelkonsole herausragen

Es erstaunt, wie gut der G80 und der Elektroantrieb harmonieren. Davon, dass hier ein Verbrennermodell nachträglich unter Strom gesetzt wurde, ist nichts zu merken. Die Limousine ist der Beweis, dass es keine extrovertierte oder extrem aerodynamisch gestylter Karosserie für ein Elektroauto braucht. Ein Batterieantrieb darf auch gerne in einem klassischen, ebenso gediegenem wie elegantem Blechkleid daherkommen, ohne dass der Motorenklang vermisst wird. Mit seinem Allradantrieb und je einer 136 kW (185 PS) starken E-Maschine an Vorder- und Hinterachse sowie einem Drehmoment von 700 Newtonmetern ist die fünf Meter lange Oberklasselimousine standesgemäß motorisiert. Im Idealfall vergehen keine fünf Sekunden für den Spurt von null auf 100 km/h. Und anders als anderswo ist hier auch erst bei Tempo 225 Schluss. Geht es etwas zurückhaltender zur Sache, geht die stattliche Limousine auch schon einmal in den einmotorigen Betrieb über, um nicht unnötig kostbare Energie aus der 87-kWh-Batterie zu verschwenden.

Auf der (zunächst verzweifelten) Suche nach dem Anschluss für das Ladekabel überrascht der Electrified G80 gleich doppelt: Im Handschuhfach findet sich doch tatsächlich noch ein echtes Handbuch, das entsprechend schnell zur gewünschten Seite führt, und die gesuchte Klappe verbirgt sich so gut wie unsichtbar linksseitig in der Kühlergrillattrappe.

Der G80 verwöhnt, wie nicht anders zu erwarten, Fahrer und Mitfahrer mit einem komfortabel abgestimmten Fahrwerk. Die Beinfreiheit auf den Rücksitzen ist angesichts der Fahrzeugdimensionen etwas geringer als erwartet, aber immer noch mehr als ausreichend. Allerdings finden die Füße unter den niedrigen Vordersitzen nur eingeschränkt Platz. Nicht ganz zum feinen Auftritt passt der unübersehbare Buckel, den der Kofferraumboden wegen des zweiten Motors über der Hinterachse macht. Das sieht nicht nur nicht schön aus, sondern lässt das Volumen auch auf Kompaktklasseformat schrumpfen. Aber die erlaubte Zuladung ist ohnehin nicht so üppig. Auch hier schlägt sich der Umstand nieder, dass ein Verbrenner zum Elektroauto umfunktioniert wurde. Dennoch passt die Kombination wie gesagt gut zum Genesis, der zudem über 800-Volt-Ladetechnik verfügt.

Bei einer Restkapazität von 29 Prozent versprach der G80 noch knapp 120 Kilometer Reichweite. In etwas über 20 Minuten ging es an der 150-kW-Ladesäule mit 400 Volt bei schwankenden Ladeleistungen zwischen 100 und 130 kWh auf wieder 80 Prozent. Bei 90 Prozent meldete der Bordcomputer dann Strom für 390 Kilometer. 420 bis 440 Kilometer sind also drin, die im WLTP-Verfahren ermittelten 520 Kilometer hingegen eher nicht. Für den Langzeitbetrieb zeigte das Display einen Durchschnittsverbrauch von knapp 21 Kilowattstunden pro 100 Kilometer an.

Fazit: Auch wenn der G80 ursprünglich als Verbrenner konzipiert worden ist, macht er auch als Elektroauto eine tolle Figur. So gut, dass man dem stillen Souverän seine Ursprünge absolut nicht anmerkt – wenn man vom kleinen Gepäckabteil einmal absieht. (Jens Riedel/cen)

Foto: Autoren-Union Mobilität/Genesis

 


Veröffentlicht am: 03.01.2023

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