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IPNV statt ÖPNV

Der Fiat Topolino im Praxistest



Wir waren noch keine zehn Kilometer mit dem Fiat Topolino gefahren, da kam uns auf der Landstraße zwischen Heimatort und Nachbardorf doch tatsächlich ein Opel Rocks Electric entgegen. Im ersten Überraschungsmoment erwischten wir statt der Lichthupe aber leider die Scheibenwaschanlage. Also noch rasch die Hand zum Gruß des rollenden Zwillings gehoben,  den die Fahrerin freundlich erwiderte.

Und es gab noch eine Begegnung der dritten Art: Uns kam nur vier Tage später noch ein Fiat 500 aus den frühen 60er-Jahren entgegen, der ebenfalls unter drei Meter kurz ist und in Breite und Höhe sogar noch etwas kleiner als der putzige Topolino ist.

Der Fiat Topolino gehört zur Fahrzeugklasse L6e, den so genannten Mopedautos, weil sie nicht schneller als 45 km/h fahren dürfen. Dafür bieten sie besseren Wetterschutz und deutlich mehr Platz als die gleich schnellen Kleinkrafträder oder -roller. Und sie dürfen ebenfalls ab einem Alter von 15 Jahren gefahren werden.

Der Stellantis-Konzern hat mit Citroën Ami, Opel Rocks Electric und dem zuletzt erschienen Topolino gleich drei baugleiche Fahrzeuge im Angebot. Der Fiat ist der einzige den es alternativ – zum gleichen Preis – auch als Art Strandbuggy ohne feste Türen und mit Rolldach gibt. Er ist aber auch der teuerste im Trio. Die Italiener lassen sich ihre kleine Extraportion Dolce Vita auch extra bezahlen. Während der Opel eher den Jugenlichen gibt und der Citroën etwas extrovertierter auftritt, verstömt der Topolino mit mintfarbener Kunststoffkarosserie, gestreifter Abdeckung über der Armaturenbrettablage und dem verchromten Heckgepäckträger südländisches Flair. Treffend ist da auch die Namensgebung für den einzigen lieferbaren Farbton: Verde Vita (ital. = grünes Leben).

Auf rund zweieinhalb Metern Länge haben die Entwickler eine Menge untergebracht. Es gibt einen verschiebbaren Fahrersitz und einen weiter nach hinten versetzten, aber festen Beifahrerplatz. Vor ihm tut sich nur ein Fußraum auf, der auch Platz für die Gertränkekiste bietet, sondern auch noch ein  weiteres Gepäckabteil unter dem Armaturenbrett, das kleinere Trolleys oder den Sack Hundefutter aufnimmt und durch ein Netz von der Pedalerie auf der linken Seite getrennt ist. Zudem gibt es einen großzügig dimensionierten Taschenhaken, der auch vor einem Rucksack nicht so schnell kapituliert.

Weitere Ablagemöglichkeiten finden sich oben auf dem Armaturenbrett und in den großzügig dimensionierten Türnetzen. Vor dem Lenkrad gibt es außerdem einen Cupholder. Hinter den Sitz ist ebenfalls noch ein wenig Platz, zum Beispiel für den Verbandskasten. Der nervte anfänglich durch ständiges Hin-und Herrutschen, bis wir ihn zwischen Wand und Sitz sicher einklemmten. Einen Kofferraum gibt es nicht (einen Gurtwarner übrigens auch nicht).

Da nicht nur die Bauteile für Front und Heck identisch sind, sondern auch die Türen, öffnet die rechte ganz normal, währen die Fahrertür nach hinten aufschwingt. Statt eines Griffs gibt es eine Ziehschlaufe zum Öffnen (beim Fahrer vorne, beim Beifahrer hinten) und eine feste zum Zuziehen. Die großzügig dimensionierten Seitenscheiben klappen nach Art des Citroën 2 CV nach oben auf. Viel Licht ins Innere bringen außerdem die großen Dreiecksfenster an der A-Säule und das serienmäßige Panoramadach. Nein, beengt fühlt man sich in dem kleinen Mäuschen (ital. = Topolino) absolut nicht.

Alles in allem macht das Fahrzeugkonzept aus dem Leichtkraftfahrzeug einen Sympathieträger. Der erfordert allerdings gewisse Abstriche beim Fahrkomfort. Aus dem kurzen Radstand und den kleinen 14-Zoll-Rädern sowie kaum vorhandenem Federweg ergibt sich ein recht rumpeliges Abrollen. Auch die schmalen Polster auf den Plastiksitzen fangen so gut wie nichts ab und könnten ohnehin ein wenig breiter sein.  Und der Elektromotor ist akustisch deutlich vernehmbar, denn gedämmt ist der Innenraum des Topolino nicht. Im Gegenteil: Die Insassen blicken auf freie obere Rahmenrohre. Hier könnte ein bisschen Stoffbespannung nicht schaden, die ja kein großes Gewicht mitbringt. Dazu kommt, dass der Mini-Stromer  zum Beispiel bergab immer wieder bei 45 km/h auf dem Tacho relativ unsanft in den Begrenzer stottert. Dafür geht er an Steigungen tapfer voran.

Auf der Haben-Seite verbucht der Fiat unter anderem seine Wendigkeit und seinen geringen Platzbedarf sowie geringer Unterhaltskosten und die große Sympathie, die ihm Passanten entgegenbringen. Aber nur die, denn für viele Autofahrer dürfte der Frust tief sitzen, wenn sie sich auf schmalen Landstraßen oder dichtem Gegenverkehr hinter dem Leichtkraftfahrzeug einreihen müssen, weil sie gerade nicht überholen können. Sie sehen in einem solchen Fahrzeug (es ist offiziell kein Auto) her ein rollendes Verkehrshindernis. Andererseits – eine landwirtschaftliche Maschine ist auch nicht unbedingt schneller. Und für die maximal erlaubte Höchstgeschwindigkeit dieser Art von Microcars ist die Politik und nicht die Industrie verantwortlich. Im Stadtverkehr kann der Topolino aber recht gut mithalten. Und genau dafür ist er eigentlich ja auch gedacht.

Die angegebene Reichweite von über 70 Kilometern ist ebenso realistisch wie die maximale Ladezeit von rund vier Stunden an einer gewöhnlichen Haushaltssteckdose. Das Ladekabel steckt übrigens gut versteckt hinten rechts im Türrahmen. Auch das ist ein weiteres pfiffiges Detail. Bei einem Rest von elf Kilometern in der Batterie wurde die Ladezeit mit drei Stunden und 16 Minuten angezeigt. Nach einer Stunde waren wieder 20 Kilometer mehr drin.

Geschaltet wird übrigens einfach per Knopfdruck  (R/N/D). Doch Vorsicht, wird der Motor abgestellt, springt das Ein-Gang-Getriebe automatisch zurück in den Leerlauf – also, Handbremse nicht vergessen! Und der Blinkerhebel muss manuell zurückgestellt werden. Ein Gebläse inklusive Defrostertaste für die Windschutzscheibe ist ebenfalls an Bord. Für das Smartphone gibt es einen (etwas sehr billig wirkenden) Halter und einen USB-Anschluss.

Am Ende stellt sich die Frage nach dem Sinn solcher Kleinfahrzeuge, die der Gesetzgeber offiziell als „leichtes Vierradmobil“ einstuft? Über den Jugendlichen, der sicher gerne bereit ist, sein Fahrrad oder den Kleinkraftroller gegen einen Topolino einzutauschen, müssen wir nicht reden. Aber auch für Pendler, die auf dem Land wohnen und auf dem Weg zur Arbeit täglich ein paar Kilometer zum nächsten Bahnhof zurücklegen müssen, eignet sich ein solches Fahrzeug.

Wer es ohnehin nicht weit zur Arbeit hat, kann sein Auto schonen oder sich vom Bus unabhängig machen. Topolino und Co. bieten schlicht und einfach eine Alternative zum ÖPNV: den IPNV, den individuellen Personennahverkehr – bei einer Leasingrate in Höhe des Deutschlandtickets. Zudem findet sich ein im Unterhalt extrem günstiges Zweit-, Dritt- oder Reservefahrzeug für die Familie, etwa um den Nachwuchs in den nahen Kindergarten oder zur Schule zu bringen oder kurz ein paar kleine Besorgungen zu machen. In den so genannten sozialen Netzwerken finden sich mittlerweile schon erste kleine Fangruppen für die sympathischen Drillinge von Stellantis. (cen/Jens Riedel)

Foto: Autoren-Union Mobilität

 


Veröffentlicht am: 19.06.2024

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