Vom 20. September 2024 bis 26. Januar 2025 widmet sich das Kunsthaus den künstlerischen und biografischen Parallelen zwischen dem chinesisch-kanadischen Maler Matthew Wong und Vincent van Gogh. Im Mittelpunkt stehen – eine Premiere für die Schweiz – rund 35 imaginäre Landschaften und Interieurs von Matthew Wong, ergänzt durch ein Dutzend ausgewählter Meisterwerke Vincent van Goghs.
«Ich sehe mich selbst in ihm. Die Unmöglichkeit, in diese Welt zu gehören». Der chinesisch-kanadische Maler Matthew Wong (1984–2019), der diese Worte auf sein grosses Vorbild Vincent van Gogh (1853–1890) münzte, gehörte zu den vielversprechendsten Künstlern seiner Generation. Im Dialog mit Vincent van Gogh ist dies die erste grosse Retrospektive, die diesem Künstler in Europa gewidmet wird.
EIN WERK VON REICHER FARBENPRACHT
Wong malte dynamisch und farbintensiv, wobei sein Schwerpunkt auf Landschaften von expressiv-lyrischer Kraft lag. Wie van Gogh kam auch Wong als Autodidakt zur Kunst und fertigte erst relativ spät, mit 27 Jahren, seine erste Zeichnung an. Umso erstaunlicher ist die Geschwindigkeit, mit der er in den darauffolgenden acht Jahren ein Œuvre von immenser Vielfalt und Breite schuf. Als Maler und Zeichner hat er in dieser kurzen Zeit eine erstaunliche Menge an Kunstgeschichte aufgesogen, um für sich selbst herauszufinden, wo er in den «grösseren Dialog zwischen Künstlern im Laufe der Zeit» passt. Dabei orientierte er sich sowohl an der euro-amerikanischen als auch an der chinesischen Kunst, um Anregungen nicht nur von Vincent van Gogh, sondern auch von Malerinnen und Malern wie Henri Matisse, Shitao, Gustav Klimt, Yayoi Kusama und Alex Katz zu beziehen. Vor dem Hintergrund dieser Einflüsse schuf Wong seine imaginären Landschaften und Interieurs, die zwar viele stilistische Anspielungen auf Künstlerkollegen enthalten, zugleich aber ausserordentlich persönlich und originell bleiben.
SEELENVERWANDSCHAFT
Van Gogh ist in Wongs ausdrucksstarkem Farbgebrauch und Malstil als Vorbild besonders präsent. Die direkte, ungefilterte Art und Weise, in der Wong seinen Gemütszustand in seinem Werk zum Ausdruck bringt, findet sich ganz ähnlich ausgeprägt bei van Gogh. Doch auch im Hinblick auf ihre jeweilige Lebensgeschichte finden sich auffällige Parallelen. So kämpften beide mit psychischen Herausforderungen: Wong erkrankte frühzeitig an Depression, litt am Tourette-Syndrom sowie an Autismus und nahm sich 2019 mit 35 Jahren das Leben. Van Gogh wiederum war wohl – soweit man heute aus dem, was bekannt ist, Schlüsse ziehen kann – von psychotischen Anfällen in Verbindung mit Angstzuständen und Halluzinationen betroffen. Er war nur zwei Jahre älter, als er sich, 37-jährig, 1890 in Auvers-sur-Oise nordwestlich von Paris für den Freitod entschied.
ALLGEGENWÄRTIGER BILDERKOSMOS
Die kunsthistorischen Bezüge, die Wongs Werk kennzeichnen, spiegeln den unbegrenzten Zugang wider, den ein Künstler des 21. Jahrhunderts durch die sozialen Medien hat. Wo und wann auch immer er arbeitet: Über sein Mobiltelefon hat er stets Jahrhunderte von Kunst zur Hand. In dieser Hinsicht ist Wongs Werk klar zeitgenössisch. Gleichzeitig setzte er aber auch sehr traditionelle Malmittel wie Tusche auf Reispapier ein, um seinem Werk eine unverwechselbare Form zu geben. Nicht zuletzt auf diese Weise verbindet Wong die heutige, digital vernetzte Welt mit traditioneller Kunstgeschichte.
EINLADUNG ZUM VERGLEICH
Wie präsentiert die Kunsthaus-Ausstellung die beiden Künstler in ihren Eigenheiten und zugleich ihren Gemeinsamkeiten? Die Präsentation macht zweierlei: Sie gönnt beiden Künstlern ihre jeweils eigenen Räume, verbindet ihre Werke punktuell aber auch. So wird mittels der Ausstellungsarchitektur eine Möglichkeit geschaffen, Werke Wongs und van Goghs zueinander in Bezug zu setzen, ohne dass deren jeweiligen Werke zwingend nebeneinander platziert werden müssten. Grosse Öffnungen in den zentralen Stellwänden erlauben dem Publikum immer wieder Durchblicke, um die kleineren Werke van Goghs optisch mit den zumeist grossformatigen Gemälden Wongs zusammenzuführen. Anhand solch sorgfältig inszenierter Sichtachsen werden die Bildwelten Wongs und van Goghs einander angenähert, ohne dass die Kunst des einen wie des anderen ihre Autonomie einbüsst. Nicht zuletzt dank solcher Werkbegegnungen stellt die Ausstellung einen wesentlichen Punkt heraus, der die Zusammenschau bestimmt: Beide Künstler verband eine dynamische, emotional geladene Vision der Malerei im Allgemeinen und der Landschaftsmalerei im Besonderen.
In der Tat hatte van Gogh als wohl erster Landschaftsmaler überhaupt den emotionalen Ausdruck seiner inneren Befindlichkeit in den Mittelpunkt seiner Landschaftsbilder gestellt. Hier knüpft Matthew Wong auf ganz eigene Weise an sein grosses Vorbild an: Auch seine Gemälde sind emotional aufgeladen und auch bei ihm spiegeln sowohl sein Malstil als auch die von ihm dargestellten Motive seine innere Welt wider.
Die Ausstellung im Kunsthaus wird auf einer Gesamtfläche von 750 m2 in zwei Räumen des Chipperfield-Baus präsentiert und vereinigt rund 35 Werke Wongs sowie ein Dutzend Arbeiten van Goghs. Von Matthew Wong sind Werke aus dessen künstlerisch besonders wichtigen fünf letzten Lebensjahren vertreten, darunter nebst einigen Zeichnungen vor allem Gemälde. Von van Gogh sind Werke aus den massgeblichen letzten vier Lebensjahren zu sehen, darunter Hauptwerke der legendären letzten Werkphasen in Arles, Saint-Rémy und Auvers-sur-Oise.
ZUSAMMENARBEIT
Die Ausstellung ist eine Zusammenarbeit mit dem Van Gogh Museum in Amsterdam und geht auf eine Idee und ein Konzept von Joost van der Hoeven zurück, der die Ausstellung in Amsterdam kuratiert hat. In Zürich wird die Ausstellung von Jonas Beyer und Philippe Büttner kuratiert. Mit dem Van Gogh Museum in Amsterdam hat das Kunsthaus einen starken Partner an seiner Seite, der u.a. auch einige kostbare Gemälde van Goghs als Leihgaben zur Verfügung stellt. Ein weiterer Kooperationspartner ist die Albertina in Wien, die die Ausstellung als dritte Station zeigen wird.
PUBLIKATION UND VERMITTLUNG
Ein umfassender Katalog auf Deutsch mit Beiträgen aus der aktuellen Forschung begleitet die Zürcher Ausstellung. Er enthält Essays von Joost van der Hoeven, Jonas Beyer, Richard Shiff und John Yau, ein Interview von Joost van der Hoeven mit Sofia Silva sowie zwei Gedichte von Matthew Wong. Eine englische Edition ist bereits zur Ausstellung in Amsterdam erschienen.
Öffentliche Führungen finden im September jeweils sonntags um 13 Uhr statt, im Oktober donnerstags um 18.30 Uhr. Französischsprachige Führung: Samstag, 5. Oktober, 11 Uhr.
BEGLEITPROGRAMM
Gemeinsam mit den Arthouse Kinos ist ein mehrteiliges, von Jonas Beyer, Philippe Büttner und Pia Watzenboeck zusammengestelltes Filmprogramm zur Ausstellung in Planung. Nähere Informationen und Tickets ab August auf arthouse.ch/kunsthaus.
Am 16. Januar 2025 findet ein ZKO-Gesprächskonzert zur Ausstellung statt. Infos und Tickets: zko.ch/events/matthew-wong-vincent-van-gogh.
Gabriele von Arnim reflektiert im Gespräch mit Kunsthaus-Kurator Jonas Beyer anlässlich von «Zürich liest» über den Trost der Schönheit. Infos ab September auf www.zuerich-liest.ch.
Unterstützt von der Hans Imholz-Stiftung, der Max Kohler Stiftung, der Elisabeth Weber Stiftung und einer Stiftung, die nicht genannt werden möchte.
Kunsthaus Zürich
Heimplatz
CH–8001 Zürich
Tel. +41 (0)44 253 84 84
www.kunsthaus.ch
Eintrittspreise, Öffnungszeiten und Veranstaltungen auf www.kunsthaus.ch/besuch-planen und www.kunsthaus.ch/programm.
Ticket-Bezug an der Kasse oder im Vorverkauf.
Matthew Wong – Vincent van Gogh. Letzte Zuflucht Malerei
... präsentiert im Kunsthaus Zürich
Veröffentlicht am: 01.08.2024
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