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Zeitgut-Weihnachtsgeschichte: Wenn Mütter überraschen

... von Horst Beckmann



Alle Jahre wieder bieten wir Ihnen in Zusammenarbeit mit dem Zeitgut-Verlag auch diesmal stimmungsvolle Weihnachtsgeschichten. Lebendige Originalfotos und Illustrationen runden diese ergreifenden Geschichten aus der Buchreihe "Unvergessene Weihnachten" ab.

(Stendal, Sachsen-Anhalt, Ende November – Dezember 1944) Völlig frontunerfahren hatte man uns ehemalige blutjunge Luftwaffensoldaten in sehr harte Kämpfe hineingeworfen. Unter hohen Verlusten wurde die ganze Division aufgerieben. Der Restbestand kam nach zweimonatigem Fronteinsatz ins Hinterland zurück, zunächst in eine Entlausungsanstalt. Neue Wäsche gab es noch nicht. Mit dürftiger Kleidung kamen wir wieder im Bahntransport nach Deutschland. In Stendal, einer alten Garnisonsstadt, warteten leerstehende Kasernen auf uns. Hier wurden wir für den weiteren Fronteinsatz neu zusammengestellt. 

Das Weihnachtsfest stand vor der Tür, und ich traute meinen Ohren nicht, als der Grenadier Horst Beckmann ausgerufen wurde. Dann stehe ich vor meinen Eltern! Mein Vater, dessen Tischlerei zur Rüstungswerkstatt um gestellt wurde, hatte seinen Pkw frei; das heißt, der Wagen bekam am Nummernschild einen roten Winkel als Zeichen dafür, daß er das Auto mit Hänger für Lieferungen einsetzen durfte, aber auch einige Privatfahrten waren genehmigt. So waren meine Eltern von Stargard nach Stendal gekommen, um mich zu besuchen. Natürlich hat eine Mutter schnell einen Blick für den Zustand ihrer Kinder, und so stellte sie auch fest, wie dürftig ich gekleidet war. Statt der Strümpfe hatte ich Fußlappen, und das im kalten Winter. Unterwäsche trug ich auch nicht, die war für uns noch nicht eingetroffen. Die verlauste Wäsche waren wir losgeworden. So fehlte es an vielem. 

Mutter war entsetzt, was ich ihr sofort anmerkte. Dennoch gab es gute Gespräche, vor allem mußte ich, wenn auch sehr vorsichtig, von meinem ersten Fronteinsatz berichten, bei dem viele Kameraden und Freunde verwundet wurden, aber auch viele gefallen waren. Alles hat meine Eltern sehr mitgenommen. Vater und Mutter sind betroffen und traurig nach Hause gefahren, hatten aber ein kräftiges Lebensmittelpaket dagelassen, dessen Inhalt ich mit meinen Kameraden teilte. 

Weihnachten, eine Zeit, die bei manchen Kameraden, besonders wenn sie Familienväter waren, die Herzen wehmütig werden ließ. Es gab eine Verfügung, nach der es in besonderen Fällen zum Heiligen Abend Heimaturlaub gab, wenn Soldaten Familienväter waren oder wenn zu Hause ein Notfall vorlag. Für den jungen Grenadier Beckmann kam das natürlich nicht in Frage. Aber mit Rücksicht auf die Weihnachtsurlauber wurde die Feier für die Einheit um einige Tage vorverlegt. Bis zu diesem Tag ging es in der Truppe sehr hektisch zu, und man kam sich vor wie in den Kindertagen, denn wer aus der Rolle fiel, würde von der Weihnachtsfeier ausgeschlossen – so sagte man uns. Dann war es soweit! In Gruppen zogen wir in den festlich geschmückten Tagesraum wie beim Exerzieren auf dem Kasernenhof. Festlich geschmückt soll heißen, daß in einer Ecke des Raumes ein mit Kerzen dekorierter Tannenbaum aufgestellt war. Die Tische waren schlicht gedeckt. Auf je dem Platz lag eine Tafel Schokolade. Ein Kamerad begleitete auf einem alten, sehr verstimmten Klavier das erste Weihnachtslied „O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter“. Dann ergriff der Kommandeur das Wort: „Kameraden, wir feiern heute die sechste Kriegsweihnacht. Viele unserer Kameraden sind auf dem Feld der Ehre geblieben, aber ...“ Und dann kamen für uns heute leere Worte. Damit war der offizielle Teil dieses Abends beendet. 

Davor wurde noch ein „Weihnachtslied“ gesungen: „Hohe Nacht der klaren Sterne, die wie weite Brücken steh’n. Über einer tiefen Ferne, drüber uns’re Herzen geh’n ...“ – ein Lied, das jemand für die „germanische“ Wintersonnenwende geschrieben hatte, die beim Nationalsozialismus mehr Beachtung fand als das christliche Weihnachtsfest. Als sich dann besonders die älteren Kameraden am Glühwein erfreuten, bei dem der gehörige Schuß Rum nicht fehlen durfte, verließen jüngere nach und nach schweigend den Raum. Auch ich zog mich, von der Feier enttäuscht, zurück und wollte mich, wehmütig an unsere Familienfeiern denkend, auf mein Bett legen und traurig sein. 

Kaum hatte ich meine Stube betreten, als mein Blick auf mein Bett fiel: ein Paket! An der groß aufgemalten Adresse erkannte ich die Handschrift meiner Mutter. Das Weihnachtspaket aus meiner pommerschen Heimat Stargard! Und dann so früh, obwohl die Eltern bei ihrem Besuch vor drei Wochen bereits ein großes Paket mitgebracht hatten. Sollte ich es bis zum Heiligen Abend liegen lassen, noch fünf Tage? Oder ob ich es schon öffnete? Es könnte ja etwas Verderbliches drin sein. Meine Mißstimmung gab zu Letzterem Anlaß. So würde der Abend doch noch einen guten Abschluß finden, Mutter schreibt immer so gute und eindrucksvolle Begleitbriefe. Sparsam und gespannt löste ich die Schnur, denn ein Soldat kann alles verwenden, und Mutter wußte das, darum hatte sie die Verpackungsschnur so geknotet, daß man sie ohne Schwierigkeiten lösen konnte. Dann der Einschlagbogen, auch der wurde wieder, brauchbar für irgendetwas, in den alten Falten zusammengelegt. Mutter verpackte ihre Pakete sehr korrekt und eigen. Der Karton war noch einmal mit dünner Schnur zugebunden, und so wuchs die Spannung zu nehmend. Natürlich waren alle kostbaren Sachen liebevoll in Weihnachtspapier eingewickelt, wenn das Papier auch schon einige Jahre gedient hatte. Man mußte alles gut aufheben, um es wieder verwenden zu können, denn zu kaufen gab es nur das Nötigste. Obenauf lag der begleitende Brief wie auch sonst bei den Feldpostpäckchen. Ich sollte ihn zuerst lesen, bevor ich die eingewickelten Sachen auspacke; dann könnte ich immer noch entscheiden, ob ich sie bis zum Heiligen Abend verpackt lasse. „Mein lieber Junge ...“, so begann Mutter immer ihre Briefe an mich, „... nun ist es für Dich und für uns das zweite Weihnachtsfest, an dem Du nicht mit uns am Heiligen Abend zusammen sein kannst. Es tut uns sehr leid, daß Du unsere eindrucksvollen Familienfeiern vermissen mußt, wenn Vater zu den Liedern auf der Geige gespielt hat, während ich ihn auf dem Klavier begleitet habe. Und dann die Gedichte und Geschichten, die wir aufgesagt und gelesen haben, nach dem wir die Weihnachtsgeschichte vorher gemeinsam in der Kirche gehört haben. Aber nun bin ich schon beim Heiligen Abend! Zuvor gratulieren wir Dir sehr herzlich zu Deinem Geburtstag! 18 Jahre wirst Du alt. Drei Jahre sind es noch bis zur Volljährigkeit, und so jung mußt Du schon Frontsoldat sein und unsere Heimat verteidigen ...“ 

Ich glaube, ich habe mich erschrocken! An der Front wurden Geburtstage oft verdrängt, weil sie zu Sentimentalität Anlaß gaben, aber hier in der Kaserne? Ich dachte über die Tage nach. Die Kalendertage hatten wir nicht immer im Griff, aber es waren noch fünf Tage bis 65Horst Beckmann: Wenn Mütter überraschen zum Heiligen Abend und – tatsächlich: Wir hatten heute den 19. Dezember – mein Geburtstag und ich wurde 18! Ich hatte ihn wirklich vergessen! Ich glaube, ich habe ein paarmal: „Danke, Mutti, danke!“, gesagt. Die vorausgegangene Weihnachtsfeier war abgehakt. 

Aber ob mir jetzt trotzdem die Tränen kamen, weiß ich nicht mehr, vielleicht Tränen des Heimwehs, der Sehnsucht, der Freude – oder ein paar schon echte Männertränen? Eines aber weiß ich noch, daß ich an diesem Abend die eindrucksvollste Stunde aller meiner Geburtstage erlebt habe. Was doch eine Mutter alles vermag! Und darüber hin aus war es ihr gelungen, das Paket so abzuschicken, daß es mich pünktlich an meinem Geburtstag erreichte. Danke, Mutti, das sage ich heute noch einmal über Deinen Tod hin aus.

Unvergessene Weihnachten Band 9
Zeitgut Verlag Berlin 
Preis: 8,90 Euro
ISBN: 978-3-86614-223-7

ACHTUNG: Alle Zeitgut-Bücher werden bis Ende 2025 kostenfrei versendet!

 


Veröffentlicht am: 13.12.2025

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