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Deutschlands großer Streitatlas 2019

Öfter, länger, teurer: Jeder zweite Streit in Deutschland dauert länger als ein Jahr

Wer einen Blick in „Deutschlands großer Streitatlas 2019“ wirft, könnte meinen, die Einwohner der Bundesrepublik wären stur oder gar trotzig. Denn geht es um das eigene Recht, beweisen sie enorme Leidenschaft und extreme Ausdauer.
 
Dazu sagt Giovanni Liverani, Vorstandsvorsitzender der Generali Deutschland AG: „Mit dem Streitatlas präsentieren wir eine detaillierte Analyse des Streitverhaltens in Deutschland. Durch die Veröffentlichung möchten wir die Gesellschaft für das steigende Risiko sensibilisieren, selbst im Alltag in Rechtsstreititigkeiten verwickelt zu werden. Zudem unterstreicht der Atlas, wie sich zum Beispiel Kosten und Dauer bei Disputen entwickeln und warum Streitprävention im Interesse aller liegen sollte.“
 
„Deutschlands großer Streitatlas 2019“ belegt mit Zahlen und Fakten, wie in der Bundesrepublik gestritten wird. Die groß angelegte Studie, die Generali Deutschland auf Basis der Daten ihres Rechtsschutzversicherers Advocard alle zwei Jahre durchführt, bietet bundesweit spannende Einblicke in die Streitkultur.
 
„Seit unserem ersten Streitatlas haben wir gut 2 Millionen Streitfälle in Deutschland ausgewertet. Diese einzigartige Datenbasis erlaubt uns wertvolle Einsichten: Dabei beobachten wir, dass die Menschen immer häufiger und heftiger miteinander streiten - insbesondere das private Umfeld bietet hierzu viele Anlässe“ sagt Peter Stahl, Vorstandssprecher der Advocard, dem Rechtsschutzversicherer der Generali in Deutschland.
 
STREIT KOSTET ZEIT, GELD UND NERVEN
 
Fast die Hälfte aller Streitfälle (48 Prozent) dauert zwölf Monate und länger. Im Vergleich zum letzten Streitatlas 2017 ist bei den langwierigen Auseinandersetzungen eine Zunahme um 4,5 Prozent zu verzeichnen. Dies hängt verstärkt mit der Langwierigkeit von Gerichtsprozessen zusammen, die aufgrund vieler beteiligter Akteure und rechtlicher Handlungsoptionen, wie dem Gang durch mehrere Instanzen, länger dauern können. Von diesen Möglichkeiten wird auch immer mehr Gebrauch gemacht.
 
Was lange währt, wird vor allem auch eins: teuer. Bei jedem zehnten Streit liegt der Streitwert bei mehr als 10.000 Euro. Im Vergleich zum vorherigen Streitatlas ist dies ein Anstieg um 2,8 Prozent, wohingegen Auseinandersetzungen mit niedrigen Streitwerten (bis 2.000 Euro) am stärksten abgenommen haben (-3,1 Prozent). „Unserer Erfahrung nach können die Verfahrenskosten ein Vielfaches des eigentlichen Streitwerts ausmachen. Daher ist es sinnvoll, so früh wie möglich eine einvernehmliche Einigung anzustreben – manchmal funktioniert es sogar, eine neutrale Person als Vermittler, beispielsweise einen Mediator, hinzuzuziehen und Streitigkeiten schnell abzuwenden“, so Peter Stahl.

KRAWALL UND REMMIDEMMI IN NÖRDLICHEN UND WESTLICHEN BUNDESLÄNDERN
 
Im Vergleich der Bundesländer wohnen die größten Streithähne im Norden und Westen der Republik und tragen dazu bei, dass das Streitaufkommen im Durchschnitt bei 24,7 Streitfällen pro 100 Einwohnern liegt. Besonders streitlustig: die Stadtstaaten Berlin (29,2) und Hamburg (28,8), die seit Beginn der Erhebung die ersten beiden Plätze belegen. Im Vergleich zu 2016 (31,2) sind die Berliner zwar etwas ruhiger geworden, aber nach wie vor Spitzenreiter. Peter Stahl findet hierfür eine Erklärung: „Viele Menschen auf vergleichsweise engem Raum steigern die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Konflikte entstehen.“
 
Das mag auch der Grund sein, dass im bevölkerungsreichsten Flächenland Nordrhein-Westfalen eine aufgeheiztere Stimmung herrscht (28,2). In Mecklenburg-Vorpommern, dem Bundesland mit der geringsten Bevölkerungsdichte, ist die Streitintensität um einiges geringer (23,8).
 
GROSSSTÄDTER AUF DER SUCHE NACH STREIT

 
In Städten herrscht häufiger ein rauer Ton, daher ist es wenig verwunderlich, dass gerade in den Großstädten vermehrt gestritten wird. Die drei Stadtstaaten als Bundesländer außen vorgelassen, liegen allein sieben Städte in der Liste der Top-10-Streitstädte (über 300.000 Einwohner) in NRW. Die Jecken im Rheinland verstehen dabei überraschenderweise am wenigsten Spaß: Köln als Karnevalshochburg ist erstmalig Krawallhauptstadt (32,2). Am stärksten zugelegt in Sachen Streit hat seit 2016 die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn (+0,8 Prozent).
 
GRÜNDE DES ZORNS
 
Im Land der Autofahrer und Autoliebhaber findet knapp ein Drittel aller Streits rund um das Thema Straßenverkehr und Mobilität statt. Das Leben am Speed-Limit sorgt dabei für hohen Blutdruck – mehr als jeder Vierte (26,0 Prozent) streitet wegen vermeintlich ungerechtfertigtem Blitzen oder zu hohem Tempo. Weitere konkrete Streitgründe sind Verkehrsunfälle (23 Prozent) oder Auseinandersetzungen wegen Mängeln beim neuen Fahrzeug (10 Prozent), die zu großen Teilen im Zeichen des Dieselskandals stehen.
 
Noch mehr fechten die Menschen in Deutschland Konflikte im Privat- und Strafrecht aus – auf diese Kategorie entfallen rund 38 Prozent aller Streitfälle: Von Familienangelegenheiten bis hin zu Reisemängeln sind die Gründe sehr unterschiedlich. Das Arbeitsumfeld (13,1 Prozent) belegt den dritten Platz, auf Platz vier landet der Bereich Wohnen und Miete (11,3 Prozent) und auf Platz fünf Behörden und Finanzen (7,3 Prozent).
 
Im Arbeitsumfeld hängen die Gründe für Dispute häufig mit der Vergütung, Arbeitszeugnissen oder der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zusammen. Die Vergütung ist dabei der Hauptgrund (30,9 Prozent). Allerdings ist der Anteil an Streitfällen zu Arbeitsthemen in diesem Jahr leicht rückläufig (-0,3 Prozent).
 
Der Streitatlas zeigt ebenfalls, wie unterschiedlich stark sich die Anzahl der Streitigkeiten im Bereich Wohnen und Miete regional entwickelt. Wohnungskündigungen und zu hohe Mietkosten sind beispielsweise überall gewichtige Streitgründe: Gerade auf den heiß umkämpften Wohnungsmärkten der Großstädte ist ein deutlicher Anstieg der Streitfälle in diesem Bereich zu verzeichnen. Berlin liegt dabei sogar 50 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Gründe für den Anstieg bei Wohnungsangelegenheiten können Eigenbedarfskündigungen, die von Mietern und Mietvereinen angefochten werden, oder auch die Mietpreisbremse sein, die bei Vermietern für Unmut sorgt. Doch auch Nebenkosten­abrechnungen erzürnen Mieter und lassen es zu Disputen mit dem Vermieter kommen. Ein weiterer Klassiker der Streitgründe: Streit unter Nachbarn. Ob zu laute Musik, falsch abgestellte Kinderwagen oder die über den Zaun ragenden Äste von Nachbars Apfelbaum – die Gründe dafür sind vielfältig.

MÄNNER – DAS STREITSTARKE GESCHLECHT

Generell werden knapp zwei Drittel aller Streitigkeiten von Männern ausgetragen (66,5 Prozent), Frauen scheinen das sanftere Geschlecht zu sein und sind lediglich mit 33,5 Prozent in Auseinandersetzungen verwickelt. Die Auslöser des Streits sind jedoch unterschiedlich: Bei Männern kocht der Zorn schneller hoch, wenn es um Verkehr und Mobilität geht. Hier streitet sich jeder Dritte (32,8 Prozent). Frauen hingegen liegen bei Disputen im Bereich Privat- und Strafrecht vorn (40,0 Prozent vs. 37,6 Prozent der Männer). „Möglicherweise zeigt sich hier auch das Klischee, dass Frauen bei persönlichen Angelegenheiten das Zepter in der Hand halten und Männer sich eher ums Auto kümmern“, so Peter Stahl. Beim weiblichen Geschlecht verraucht die Wut allerdings schneller wieder: Mehr als jeder fünfte Streit (21,5 Prozent) wird innerhalb von drei Monaten geklärt, Männer benötigen hier ein wenig mehr Zeit.

ZOFF UND ZWIST – EINE FRAGE DES ALTERS?

In der Mitte des Lebens sind die Menschen anscheinend besonders rechthaberisch: Im Alter zwischen 46 und 55 Jahren streiten sie sich – statistisch gesehen – am häufigsten (27,5 Prozent aller Streitfälle). Insgesamt nimmt jedoch auch der Anteil der jüngeren Streithähne deutlich zu: Vor zehn Jahren (2009) waren junge Erwachsene unter 36 Jahren für nur 13,9 Prozent aller Streitfälle verantwortlich – heute sind es bereits 23,7 Prozent.

1 Die Daten in „Deutschlands großer Streitatlas 2017“ basieren auf Zahlen aus dem Jahr 2016

Foto: Pixabay

 


Veröffentlicht am: 25.11.2019

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