
Jahr um Jahr erleben die allermeisten von uns die Weihnachtstage als wohltuende Unterbrechung unseres Alltags. 
Kurz  vor dem Jahresende kommen wir zur Ruhe, nehmen uns mehr Zeit für  Familie und Freunde, gönnen uns eine gedankliche Auszeit von den vielen  Fragen, die im Privat- und im Berufsleben unsere Aufmerksamkeit fordern.  Dieses Jahr ist alles anders. Dieses Jahr feiern wir ein Weihnachtsfest  im Lockdown, auch wenn die Kontaktbeschränkungen an den Feiertagen  selbst gelockert sein werden.
Für Trauernde sind die  Weihnachtstage seit jeher eine Herausforderung. Wer den Verlust eines  geliebten Menschen verarbeitet, der fühlt sich im üblichen  Weihnachtsrummel und angesichts der allgemeinen Vorfreude oft fehl am  Platz. Insbesondere das erste Weihnachtsfest ohne einen nahen,  vielleicht ohne den nächsten Menschen, ist für viele Trauernde eine  emotionale Belastung. Jede und jeder geht anders damit um: Mancher sucht  vielleicht gerade in diesen Tagen den Anschluss an die Familie und  möchte die Feiertage in Gesellschaft verbringen; mancher ist lieber  alleine mit sich, seinen Gedanken und Erinnerungen.
In diesem  Jahr werden viele Trauernde während der Feiertage von besonders  schmerzlichen Gedanken begleitet sein. Während des ersten Lockdown im  Frühjahr und seit der Wiederverschärfung der Kontaktbeschränkungen im  Oktober konnten Abschiede vielfach nicht so sein, wie sie hätten sein  sollen. Sterbende konnten im Krankenhaus, Hospiz oder Pflegeheim nicht  von ihren Angehörigen begleitet werden. Trauerfeiern durften nur unter  strengen Auflagen stattfinden. Persönliche Abschiede waren in vielen  Fällen nicht möglich.
Tröstlich und heilsam
„Die Frage, ob  sich ein Verlust ohne diese Ausnahmesituation anders angefühlt hätte,  wird viele Trauernde noch lange beschäftigen“, sagt Stephan Neuser,  Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. „Insbesondere  während der Feiertage sollten Familie und Freunde sich die Zeit nehmen,  Trauernden in ihrem Schmerz beizustehen. Das kann natürlich ganz  unterschiedlich aussehen. Wichtig ist, offen darüber zu sprechen, was  dem Einzelnen guttut, und Räume zu schaffen, in denen die Trauer auch  als tröstend und heilsam empfunden werden kann.“
Für Dr. Simon J.  Walter, Kulturbeauftragter der Stiftung Deutsche Bestattungskultur,  sind die individuellen Formen und Wege der Trauer entscheidend: „Die  Trauer jedes Einzelnen sieht anders aus, braucht ihre eigene Zeit und  ihren eigenen Raum. Gerade in der gesellschaftlichen Ausnahmesituation,  in der wir uns aktuell befinden, bieten die Weihnachtstage und die Tage  um den Jahreswechsel die Möglichkeit, gedanklich einen Schritt  zurückzutreten und innezuhalten. Was tut mir gut in meiner Trauer? Wie  kann ich anderen in ihrer Trauer beistehen? Und wie kann ich einen  Abschied, der mir durch die Pandemie verwehrt worden ist, vielleicht auf  ganz eigene Weise nachholen – oder meinen Nächsten auf einem solchen  Weg begleiten?“
Die Antworten auf diese Fragen kann jeder nur  selbst geben. Dass diese Feststellung uns heute selbstverständlich  scheint, dokumentiert ein Stück weit den Wandel unserer Bestattungs- und  Trauerkultur. Gerade vor diesem außergewöhnlichen Weihnachtsfest fühlen  wir, dass Sterben und Abschiednehmen zum Leben dazugehören – und dass  jeder ein Recht auf einen persönlichen Abschied hat.
Stephan Neuser, Bundesverband Deutscher Bestatter e. V., Generalsekretär
Dr. Simon J. Walter, Stiftung Deutsche Bestattungskultur, Kulturbeauftragter
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