Bei der Berichterstattung aus dem russischen Angriffskrieg bekommt jede Nachricht unabhängig von Quelle und Plausibilität automatisch den Zweifel mit auf den Weg, sie lasse sich nicht unabhängig bestätigen. Geht es ums Klima bleibt dieser journalistisch-professionelle Akt der Neutralität auf der Strecke.
So zitiert der öffentlich rechtliche Rundfunk hemmungslos einen privatwirtschaftlichen deutschen Verein, als sei er wichtiger als der Umweltausschuss des Bundestags. Jeder Journalist hat Bewunderung verdient, der unter diesen Umständen von einer „Lobbygruppe“ und nicht einfach nur von der „Deutschen Umwelthilfe“ spricht.
Die „Deutsche Umwethilfe e.V“ ist trotz des offiziell klingenden Namens eben kein Teil der deutschen Obrigkeit. Wird aber nicht von Politikern, aber besonders von Journalisten als solche zitiert. Wo bleibt hier der Hinweis, die Angaben hätten sich nicht unabhängig verifizieren lassen? Der Verein lebt von Abmahnverfahren, Mitgliedsbeiträgen, bezahlten Dienstleistungen und Spenden, auch aus nationalen und internationalen Stiftungen, bei denen man nicht weiß, was ihnen wichtiger ist: edle Motive, die Steuerersparnis oder das Greenwashing.
Der Verein lebt in Sachen Auto und Automobilindustrie von der Vergangenheit. Beispiel: Vor kurzem trieben Medien willig die Sau „Thermofenster“ durchs Dorf. Dabei gern genannt, die scheinbar saubere Quelle – jener Berliner Umweltverein. Dazu sagte der allseits respektierte Prof. Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) unserem Kollegen von der Autoren-Union Mobilität jetzt im Interview: „Es handelt sich um ein reines Altlastenthema, und gerade die Software-Updates, die jetzt angegriffen werden, machen diese alten Fahrzeuge deutlich sauberer.“ Das Thema sollte zu einem Abschluss kommen, resigniert Koch schließlich.
Das Thema kam zu keinem Abschluss, denn der Verein steigt noch weiter zurück in die Vergangenheit. Nun will er gerichtlich klären lassen, wer die Schummelsoftware für den Diesel in Auftrag gegeben hatte. Das dürfte für Historiker und Staatsanwälte eine interessante Fragestellung sein, wenn auch inzwischen eine Vielzahl der Verantwortlichen nicht mehr im Amt und viele der betroffenen Autos dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen sind. Da liegt eine andere Frage nahe: Wem nutzt diese Art der Vergangenheitsbewältigung?
In der aktuellen Energiekrise besteht die dringend notwendige Hilfe für Umwelt und Klima in der Unterstützung aller Technologien und Konzepte, die uns schnell in die Lage versetzen, möglichst alle fossilen Energieträger durch erneuerbare zu ersetzen. Wir haben jetzt nicht die Zeit für derartige rechthaberische Vergangenheitsbewältigung. Deutschland braucht jede Hilfe für Umwelt und Klima. Aber braucht Deutschland dafür den Lobbyverein Deutsche Umwelthilfe? (Peter Schwerdtmann/cen)
Foto: Auto-Medienportal.Net
Wortklauberei (41): Vergangenheitsbewältigung
Kommentar von Peter Schwerdtmann
Veröffentlicht am: 20.11.2022
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