In einer idealen Welt fließt elektrische Energie überall, von Grönland bis zur Wüste Gobi. Die Elektronen stammen nur aus sauberen, für die Atmosphäre unbedenklichen, völlig risikolos sprudelnden Quellen.
In dieser Welt wird es für Produktion, Wohnklima und Mobilität nur einen Kraftstoff geben. Doch diese Elektro-Welt liegt so weit außerhalb unserer Wirklichkeit wie die nächste Galaxie. Dennoch glauben ausgerechnet viele ihrer Sachkompetenz überzeugten Experten und Wissenschaftler genau an diese Utopie, wenn sie die Klimafolgen von batterieelektrischen Antrieben mit Diesel- oder Benzinmotoren vergleichen sollen.
Und sie haben Recht: Diese Elektroautos aus der Zukunft sind sauber, einfacher zu fertigen und besser zu automatisieren. Sie nutzen die Energie viel besser als die herkömmlichen Verbrennungsmotoren, verhindern menschengemachte Klimaerwärmung, entgiften die Atemluft, verbessern Verkehrssicherheit wie Verkehrsfluss und können zu einer komfortableren Art des Transport von Menschen und Waren führen.
Das Elektroauto ist gut. Die Welt aber nicht.
Weltweit rollen mehr als 1,5 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, in Deutschland allein rund 60 Millionen. Unser Strom wird zu mehr als der Hälfte aus fossilen Brennstoffen gewonnen, mit höheren Beimengungen von Kernenergie aus dem In- und Ausland. Seit Jahrzehnten wissen wir, dass Sonne, Wasser und Wind keine Stromrechnungen schreiben. Wir haben passende Technologien dafür, könnten also längst so viel Strom zur Verfügung haben, dass die Betrachtung von Wirkungsgraden lächerlich sinnlos wäre. Doch genau mit solchem Ingenieurwissen lenken jetzt Vergleiche böswillig oder leichtfertig von der Realität ab.
In Lützerath verpulvern gerade Aktivisten und Polizisten viel Energie mit ihrem Traum von der Welt, in der die Politik per Federstrich die Welt retten kann. Ein paar analytische Seminare mit offenen Sinnen hätten ihnen besser weitergeholfen, zum Beispiel mit der Erkenntnis einiger grundlegender Tatsachen: Die Klimaerwärmung schreitet schneller voran als gedacht. Wer die Rolle des Verkehrs daran eingrenzen will, muss den 1,5 Milliarden Verbrennern einen klimaneutralen Kraftstoff geben. Bis die alle Fahrzeuge weltweit elektrischen rollen können, wollen oder sollen, wird es noch Jahrzehnte brauchen, jedenfalls länger als die meisten Wirkungsgrad-Fanatiker noch in ihrem Berufsleben erleben werden.
Das Elektroauto ist gut. Es wird die Welt verändern. Aber das geht eben nicht per theoretischer Betrachtungen und auch nicht in ein paar Jahren. Über welche Zeitspannen wir reden, zeigt das ambitionierte Programm der Bundesregierung, die in sieben Jahren 15 Millionen batterieelektrische Autos auf den deutschen Straßen sehen will. Und das bei einem derzeitigen Bestand von 840.000 batterieelektrischen und Plug-in-Fahrzeugen.
Gäbe es eine Chance, dieses große Ziel zu erreichen, wären wir das Musterland für die Elektromobilität und hätten doch nichts erreicht für das 1,5 Grad-Ziel. Immer noch wären drei von vier Autos auf deutschen Straßen von Verbrennern getrieben. Und in der Welt sähe es noch viel ungünstiger aus fürs Klima. Denn dem deutschen Vorbild zu folgen, wird nicht vielen möglich sein.
Deswegen müssen die Elektrofreunde schnell ihre ideale Galaxie verlassen. Wenn die Klima-Experten richtig liegen, brauchen wir jetzt keine rechthaberischen Klebe-Aktionen oder klassenkämpferische Baumbesetzungen. Wir brauchen Lösungen für die vielen hundert Millionen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren, abseits von Geldstrafen, Preisen und Steuern oder Enteignungen und Verboten. Der Bürger/Wähler wird es danken, wenn ihm endlich ein vernünftiger Plan B gezeigt wird. (Peter Schwerdtmann, cen)
Foto: Auto-Medienportal.Net
Ferne Galaxien
... beobachtet von Peter Schwerdtmann
Veröffentlicht am: 17.01.2023
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