Populisten haben’s leicht. Sie wissen stets, wer verantwortlich ist. Und für Querdenker kann sich der Gegner zwar im Laufe der Zeit ändern, nicht aber die Gewissheit, stets den richtigen zu bekämpfen.
Für diese „Letzte Generation“ gilt ebenso wie für Ihre Vorgänger bei früheren Weltuntergangsszenarien: Sie leiten aus der ihnen unabwendbar scheinenden Katastrophe ein Recht auf außergesetzlichen Widerstand ab, gepaart mit messianischer Arroganz. Wer die Diskussion um Abgasvorschriften und den Verbrennungsmotor mit wachem Verstand verfolgt hat, erkennt Parallelen zu Populisten, Querdenkern und Klimaklebern.
Wissenschaftliche Erkenntnisse werden von sonst klugen Menschen zur Seite gefegt. Sogar die Grundrechenarten bleiben auf der Strecke. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Bis 2030 will die Bundesregierung 15 Millionen batterieelektrische Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen sehen. Ende 2022 waren rund 840.000 im Bestand. Lassen wir uns vom Januar-Einbruch nicht stören und gehen von exponentiellem Wachstum der Neuzulassungen aus. Dann werden 2023 rund 210.000 neu zugelassene batterieelektrische Fahrzeuge dazukommen.
Damit wird die erste Million im Bestand mindestens erreicht sein. Bleiben für die sieben Jahren bis zum Termin noch 14 Millionen. Die dritte Million könnten mit viel Anstrengung und weiterhin exponentiellem Wachstum schon 2025 geschafft sein. Bleiben noch knapp zwölf Millionen für fünf Jahre. In der Praxis bedeutet das: In Deutschland werden nur noch batterieelektrische Autos verkauft und neu zugelassen werden. Ein Horrorszenario.
Käufer und Hersteller werden sich nur mit schmerzhaften Pönalen ins oder zum Elektroauto zwingen lassen. Die Automobilhersteller werden trotz Elektroantrieb für die kommende strenge Abgasnorm Euro 7 weiterhin gewaltige Summen in den Verbrenner investieren müssen, um Geldstrafen in Europa zu vermeiden. Dabei ist das Ende des Verbrenners doch schon politisch beschlossen, nicht zuletzt, um dem Stromer den Weg zu ebnen. Doch die Verbrennerinvestitionen werden nicht ganz vergeblich sein; denn außerhalb Europas läuft der Wettbewerb weiter. Und kaum ein deutscher Hersteller wird es sich leisten wollen, den Verbrennungsmotor – im Hybrid oder Solo – dem Wettbewerb zu überlassen. Neue Kooperationen bilden sich, zum Beispiel zwischen Mercedes-Benz und Deutz bei Nutzfahrzeug-Verbrennern.
Die neue Abgasnorm Euro 7 aus Brüssel wirkt hierzulande als besonders langer Hebel, um den Verbrenner aus der Bahn zu werfen. Auch das geht auf den politischen Willen der EU-Kommission zurück, namentlich auf den des Vizepräsidenten Frans Timmermans. Doch seit einigen Wochen regt sich Widerstand gegen Timmermans, der alle wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Argumente bisher an sich abprallen lässt, wenn sie nicht seine Entscheidung unterstützen. Der Niederländer scheint seine Rolle in der Geschichte als Elektro-Guru nicht aufgeben zu wollen. Und längst folgen ihm andere in Parteien, Behörden und Vereinen nach.
Appelle, Studien und Statement kompetenter Experten dringen weder in die Brüsseler noch in die nationalen Echokammern der Elektro-Verfechter vor. Auch Paukenschläge kommen nicht durch. Carlos Tavares, Chef des weltweit agierende Unternehmens Stellantis mit seiner weltweit größten Sammlung von Automobilmarken von Alfa Romeo über Fiat und Opel bis Peugeot und Vauxhall, trat aus dem Verband der europäischen Automobilhersteller (ACEA) aus. Begründung: Der Verband habe versagt beim Verhindern von Verbrennerverbot und Euro 7.
Luca de Meo hatte schon vorher angekündigt, die Allianz von Renault, Nissan und Mitsubishi werde auch in Zukunft Verbrennungsmotoren bauen. Jetzt als ACEA-Chef agiert er deutlich gegen die Euro 7. Und gerade eben protestierten die drei Ministerpräsidenten der deutschen „Auto-Länder“ Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern beim Bundeskanzler und fordern seine Einflussnahme auf die EU-Kommission.
Ihre Forderungen unterscheiden sich nicht wesentlich von denen des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Dessen Präsidentin Hildegard Müller hatte ebenfalls gefordert, sich mit der Elektromobilität auf die Zukunft zu konzentrieren und nicht der Verbrenner-Vergangenheit nachzuhängen. Alle sehen im bevorstehenden Transformationsprozesses schwerwiegende Brüche bei Arbeitsplätzen und Wettbewerbsfähigkeit heraufziehen. Und dann noch die FDP mit ihrem Verkehrsminister Volker Wissing. Alles nur Lobbyisten und Klientelpolitiker, die ihre Pfründe schwinden sehen, oder?
Doch auch die ungehemmte Freude am Fortgang der Elektrifizierung des Verkehrs kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Vieles den Charakter einer Illusionen in sich trägt. Um das zu erklären, hilft wieder einmal Adam Riese.
In einer idealen Welt schaffen wir das: Die deutsche Automobilwirtschaft verkauft also 15 Millionen Elektroautos in den deutschen Markt, ohne dabei allzu viele Marktanteile an die neuen chinesischen Marken abtreten zu müssen. Wenn der Strom für die Autos schließlich einmal regenerativ erzeugt werden wird und die stärkeren Netze samt dazugehörigen Ladestationen bezahlt sind, können wir uns über einen positiven Effekt für das Klima freuen.
Und da liegt die Illusion: Der Bestand an Kraftfahrzeugen in Deutschland liegt bei mehr als 68 Millionen. Selbst wenn Plug-in-Hybride, Gasfahrzeuge und solche mit Brennstoffzelle oder anderen alternativen Antrieben abgezogen werden, sind die 15 Millionen Stomer bis 2030 keine Großtat fürs Klima, sondern nur ein symbolischer, angesichts der Dringlichkeit des 1,5-Grad-Zieles vielleicht sogar nur ein sinnloser Akt. Autos halten heute bis zu 18 Jahren, nicht unbedingt in Deutschland, aber sicher anderswo in der Welt mit ihren insgesamt 1,5 Milliarden Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren.
Europa kann nicht mehr anders. Freuen wir uns darauf, dass unsere Städte sauberer und leiser werden, wenn die Politik hier die Transformation zur Elektromobilität erzwungen hat. Und in den Echokammern werden sie jubilieren. Doch spätestens nach dem Ende der Euphorie, werden wir wieder mit der Tatsache konfrontiert, nun auf einer Insel der Glückseligen zu leben und erkennen zu müssen, wie egal das dem Klima ist.
Wir können hier die Verbrennungsmotoren verbieten. Doch sie werden uns noch rund zwei Jahrzehnte erhalten bleiben. Und in der weiten Welt sowieso. Wir sollten uns besser jetzt schon an den Gedanken gewöhnen, dass nicht der Verbrennungsmotor der Übeltäter ist. Es ist sein Kraftstoff aus Erdöl. Wir kennen die klimaneutralen Ersatzkraftstoffe längst. Um die sollten wir uns jetzt kümmern. Auch der Schlüssel dazu liegt in Brüssel in der Hand von Frans Timmermanns, der solche Pläne für Personenwagen blockiert. Dennoch wird ihm niemand schlichten Öko-Populismus unterstellen wollen, wenn er sich auch selbst im Kampf gegen die unheimlichen Mächte der weltbeherrschenden Automobilindustrie sieht. (Rudi Mentär/cen)
Wir schaffen das!
Kommentar von Rudi Mentär, Autoren-Union Mobilität
Veröffentlicht am: 10.02.2023
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