Direkt nach Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 nahm ein beispielloses Bündnis seine Arbeit auf: Das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine unterstützt queere Menschen aus und in der Ukraine auf der Flucht und in Notlagen.
Sie sind aufgrund von queerfeindlicher Stigmatisierung, Diskriminierung und Gewalt zusäzlich gefährdet und haben oft besondere Bedürfnisse, etwa bezüglich einer sicheren Unterbringung oder medizinischer Versorgung. Große Hilfsorganisationen können darauf nicht eingehen.
Aktionsbündnis leistet insbesondere Hilfe in der Ukraine selbst
Das Aktionsbündnis konnte eine enorme Spendenbereitschaft aktivieren: Aktuell liegen die Spendeneinnahmen bei fast einer Million Euro - mehr wurde bei keiner anderen lsbtiq*-spezifischen Spendenaktion in Deutschland in einem ähnlichen Zeitraum eingesammelt. Genutzt werden die Gelder, um Notunterkünfte in der Ukraine - sogenannte Shelter - bei der dringend benötigten Versorgung und Evakuierung queerer Menschen zu unterstützen. Um dies sicherzustellen, kooperiert das Aktionsbündnis mit über 15 lokalen Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), wie z.B. dem KyivPride, Alliance Global, der Gay Alliance Ukraine, lokalen Organisationen wie Gender Zed in Saporischschja, Sphere in Charkiw oder auch der Trans-Organisation Kohorta, um nur einige zu nennen. Zur dringend notwendigen Versorgung gehört die Grundversorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten wie Schmerzmitteln, aber auch Kleidung, Matratzen, Drogerie- sowie Hygieneartikel und Powerbanks oder Generatoren. In Kooperation mit Apotheker ohne Grenzen unterstützt die Queere Nothilfe Ukraine darüber hinaus bei der Beschaffung und Belieferung mit Hormonpräparaten für trans* Menschen und Gehhilfen. In 13 Direkttransporten konnte das Aktionsbündnis somit die Versorgung mit Hilfsgütern in Lwiw, Kyjiw, Charkiw, Uschgorod, Odesa und Tschernowitz sicherstellen.
Aber auch Einzelfallhilfe findet statt. Spenden können mittels Antrag über queere NGOs und Flüchtlingsorganisationen in der Ukraine für individuelle Bedürfnisse angefragt werden. So bezahlte die Queere Nothilfe Ukraine zum Beispiel einem schwulen Paar ohne ukrainische Staatsangehörigkeit die Krankenversicherung, deren Nachweis für Drittstaatler*innen notwendig ist, um ein Visum zu beantragen. Somit konnte das Paar ausreisen und nach Deutschland in Sicherheit flüchten.
“Nach zwölf Monaten dürfte uns allen klar geworden sein, dass Geduld und Resilienz die wichtigsten Ressourcen sind, um diesen Krieg zu gewinnen”, sagt Stanislav Mishchenko, Vorstandsmitglied bei KyivPride und Gründungsmitglied von Munich Kyiv Queer, einer Mitgliedsorganisation des Bündnis Queere Nothilfe Ukraine. “Die Spenden der deutschen Community tragen dazu bei, unsere Widerstandskraft zu stärken und für diese Solidarität sind wir sehr dankbar. Denn mit diesen Geldern unterstützen wir eine vulnerable Gruppe, die neben Lebensmitteln, Kleidung und Medikamenten oft eines besonderen Schutzes bedarf. Es sind Tausende, die in diesen dunklen Tagen hoffnungsvoll nach Deutschland blicken. Ihre Not dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.”
Aktionsbündnis bietet Beratung, Betreuung und Beteiligung
Das Aktionsbündnis beteiligt sich zudem an Gemeinschaftsprojekten für eine schnelle und nachhaltige Hilfestellung für Betroffene. So finanzierte das Bündnis 5.000 Erste-Hilfe-Sets zur Erst- und Nachversorgung nach Vergewaltigungen, um Vergewaltigungsopfer mit notwendigen Medikamenten wie der Pille danach und der PEP zur HIV-Prävention aber auch Schwangerschaftstests zu versorgen. Mitfinanziert wurde auch der vom Queer Spaces Network in Prag initiierte LGBT Ukraine Chatbot, über den geflüchtete Personen schnell und zuverlässig Informationen zu Serviceangeboten auch in Deutschland erhielten. Gerade zu Beginn des Krieges explodierte die Zahl der Beratungsanfragen von Menschen auf der Flucht. Das digitale Angebot ermöglichte eine zeitnahe Hilfe für sehr viele Menschen, wobei die Antworten nicht durch eine Software erzeugt wurden, sondern von echten Menschen an verschiedenen Orten stammten.
“Wir haben viel erreicht, doch wir merken langsam, dass sich die Spendenbereitschaft erschöpft”, erklärt Sasha Gurinova vom Bündnismitglied Deutsche Aidshilfe. “Viele Menschen sind auch nach einem Jahr noch auf der Flucht und in Not. Hinzu kommen aktuell noch gefährliche Versorgungsengpässe mit Heizmaterial und Strom im harten ukrainischen Winter. Wir machen die Bedürfnisse von queeren Menschen in der Ukraine und auf der Flucht weiter sichtbar und helfen, wo wir können. Dafür sind wir weiterhin dringend auf Spenden von Privatpersonen und Unternehmen angewiesen”.