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Wortklauberei (48): Synergie oder Symbiose?

Kommentar von Peter Schwerdtmann



Hat die „Letzte Generation“ die meisten Straßenblockaden schon hinter sich und wendet sie sich jetzt verstärkt anderen Reizthemen zu? Dann wäre das jetzt eine Gelegenheit für einen Blick zurück auf diese ernsthaften und engagierten Menschen mit Warnwesten und Klebertuben.


Im Jahrhundert des Datenschutzes berufen die sich nicht etwa auf ihr Recht am eigenen Bild, wenn Kameras auf sie gerichtet werden. Sie erwarten geradezu, von den Medien ins Bild gesetzt zu werden, am besten für die „Tagesschau“. Ohne Medien bleibt die Tube zu. Es geht um Bilder, mit denen beide Seiten gern arbeiten.

Keiner kann ohne den anderen. Das nennt der Biologe eine Symbiose. Wikipedia weiß, dass Anton de Bary 1878 die Bezeichnung Symbiose für jegliches Zusammenleben von artverschiedenen Organismen, also auch für den Parasitismus, in die Biologie einführte. Nun trifft der Begriff „Parasit“ die Aktivisten nicht. Als Mitglieder dieser demokratischen Gesellschaft ist es Ihr gutes Recht zu provozieren, solange sie sich dabei im Rahmen der Gesetze bewegen. Das Grundgesetz ist für alle da, übrigens auch für die andersdenkenden und sich blockiert fühlenden Bürger der Bundesrepublik Deutschland.

Die Krise ist da. Keiner hat einen Plan. Das Volk ist Opfer. Der Staat ist gescheitert. Was, wenn auch ziviler Widerstand nichts mehr bringt? Die US-Verfassung weiß Rat, für Fälle, in denen eine Regierungsform versagt. Dann hat das Volk das Recht, die Regierungsform zu ändern oder abzuschaffen – „to alter or to abolish it“. Die „Letzte Generation“ bringt per Transparent schon einmal einen „Bürgerrat“ als Alternative in die Diskussion ein, offenbar gedacht als parallele Organisation zur als gescheitert empfundenen Demokratie. Eine Verlosung der Plätze im Rat scheint ihnen demokratischer als die Auswahl der Volksvertreter nach deren Qualifikation oder Wertevorstellung.

Die Krise ist da. Keiner hat einen Plan. Das Volk ist Opfer. Der Staat ist gescheitert. Das Schema kennen wir aus jedem US-Polit-Thriller, von Donald Trump, von dem hannoverschen Umweltverein Deutsche Umwelthilfe, von Viktor Orban, von der AfD, von den Autonomen, sogar von Putin und eben auch von der Letzten Generation, die ja nur ein paar Stunden den Autoverkehr blockieren oder Schaden bei denen anrichten will, die ihrer Meinung sowieso an allem Schuld tragen.

Bisher ging es doch nur ums Klima. Doch die plötzliche und spektakuläre Konzentration auf Reiche verwirrt. Dem einfachen Straßenaktivisten ist offenbar nicht bewusst, dass Reiche als Super-Gutmenschen in Stiftungen wie dem „Climate Emergency Fund“ ihre Bewegung finanzieren.

Ginge es ihnen wirklich ums Klima, müssten sie noch „schwerere Geschütze“ auffahren. Sie können nicht wirklich glauben, bei Experten damit punkten zu können, dass sie das Neun-Euro-Ticket oder Tempolimits fordern – beides Symbolthemen ohne Klimawirkung? Eigentlich müsste doch auch ihnen, die ihre Gesichter so gern für die Symbiose mit den Medien und Gleichgesinnten hergeben, klar sein, wie lächerlich ihre Forderungen klingen – angesichts der eigenen Botschaft von der längst verpassten Chance zur Umkehr.

Heute wissen wir aus eigenen Recherchen und den Ergebnissen der Medien, die sich für Hintergründe interessieren, dass es mehr als nur eine Zusammenarbeit zwischen Organisationen wie „Letzte Generation“, „Extinction Rebellion“ oder „A22“ gibt. Mit dem Briten Roger Hallam hat die Bewegung sogar einen Vordenker, dem auch Begriffe wie „Revolution“ nicht fremd sind. Es gibt auch in Deutschland feste Kommandostrukturen rund um die Gründer Henning Jeschke, Lea Bonasera und Melanie Gutmann. Es gibt Trainer und Antreiber und Geld für den Unterhalt. Erstaunlich, wie wenig manche Medien und wie viel Wikipedia weiß. Auch die eigene Website ist erstaunlich deutlich: https://letztegeneration.org/presse/.

Ist der Verkehr tatsächlich nur ein Vehikel? Geht es doch eher um Synergien mit anderen Bewegungen? Welche Gesellschaftsordnung wollen sie denn mit Straßenblockaden, Nötigungen, Verletzungen des Hausrechts und Sachbeschädigungen erreichen? Sicher geht es um mehr als eine Verkehrswende wegen des Klimas. Spektakuläre Aktionen mit Autos, Yachten, Privatflugzeugen, ein paar Tuben Kleber für die Blockade normaler Bürger und das aggressive Orange als fotogenes Ausrufezeichen selbst für die „Tagesschau“ mit ihrem Ruf als souveräner Nachrichtenblock – mal sehen, wann Freunde und Sympathisanten merken, mit wem sie da in Synergie arbeiten.

Alles übertrieben? Alles eine viel zu schwerwiegende Anklage für klimabewegte Menschen, die für eine bessere Welt revoltieren? Und den ganz dicken Hammer dagegen schwingt ausgerechnet ein Medium wie dieses, das sich der persönlichen Freiheit auch der Mobilität – samt Auto und Verbrenner – verschrieben hat? Wäre da nicht eher Schweigen angesagt? (cen/Sm)

Zur Erinnerung der Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

Foto: Autoren-Union Mobilität/Letzte Generation/Jonas Gehring

 


Veröffentlicht am: 30.06.2023

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