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Eine Idee setzt sich nicht durch

... und lebt dennoch weiter



(Michael Kirchberger, cen) Motorradfahrer grüßen sich gegenseitig, wenn sie sich auf den Straßen begegnen. Das gilt Gerüchten zufolge auch für die Fahrer eines NSU Ro 80, das einzige Auto mit einem Wankelmotor, das es in Deutschland zu einer nennenswerten Serienproduktion gebracht hat.

Die Zahl der nach oben gerichteten Finger sollte bei diesem Ritual anzeigen, der wievielte Motor mittlerweile unter der Haube seinen Kolben kreisen ließ. Haltbarkeit gehörte ebenso wie Sparsamkeit nicht zu den Tugenden der Wankelmaschine. NSU ist Geschichte, der Wankel noch nicht – dank Mazda.

Die Ersatzansprüche der Ro-80-Besitzer an den Hersteller waren immens, obwohl es die schnittige Limousine der gehobenen Mittelklasse mit ihrer für damalige Verhältnisse aufsehenerregend aerodynamischen Tropfenform und ihrer vielversprechenden Motortechnik als erster Wagen eines deutschen Herstellers 1967 zum „Auto des Jahres“ gekrönt wurde. Zehn Jahre und 37.500 Einheiten später war Schluss in Neckarsulm. Der Ro 80 war Geschichte.



Viele Hersteller haben sich am Thema Kreiskolbenmotor im Personenwagen versucht. GM kaufte dem Erfinder Felix Wankel Lizenzen ebenso ab wie Mercedes, Fichtel & Sachs, Suzuki und Mazda. Während es die Entwicklungen in den meisten Fällen nur bis zum Prototypenstaus schafften, wenn auch zu teils überaus ästhetischen, wie dem Mercedes C111 aus dem Jahr 1970, waren es nach NSU nur noch japanische Hersteller, die den Wankelmotor bis zur Produktionsreife brachten. Vor allem Mazda legte bereits in den 1960er Jahren vor, nahezu zeitgleich mit dem Ro 80 von NSU präsentierten die Japaner den Cosmo Sport, ein schnittiges Sportcoupé mit einem Zweischeiben-Kreiskolbenmotor, der es mit einem Kammervolumen von zweimal 491 Kubikzentimeter auf seinerzeit stolze 110 PS (81 kW) brachte.



Es folgten zahlreiche, meist sportlich ausgelegte Coupés und Limousinen, aber auch Pick-ups wurden von dem vermeintlich glückseligmachende Verbrennungsmotor angetrieben. Die traten mit mächtig aufgemotzten Maschinen in Wettbewerben gegen die Hubkolbenkonkurrenz an und zeigten sich dabei durchaus standhaft. So sehr sich die japanischen Entwickler mit der Standfestigkeit ihrer Aggregate rühmen konnten – sie hatten in endlosen Versuchen endlich die passende Legierung für die Dichtleisten des Kreiskolbens, bis dahin eine der größten Schwäche dieses Motorenkonzeptes, behoben – einem anderen Manko konnten sie dagegen bis zuletzt nicht Herr werden. Wankels Motor war ein wahrer Schluckspecht und verlange nach erheblichen Treibstoffmengen. Der 1975 vorgestellte, 22.000 Mark kostende RX-5 genehmigte sich bei einer Leistung von 115 PS (85 kW) durchschnittlich 17 Liter je 100 Kilometer. Auch die Wankel-Motorräder jener Zeit von Hercules (Spitzname „Staubsauger“) und Suzuki blieben Randerscheinungen.

Eine charmante Idee



Charmant war die Idee dennoch. Statt des Hubkolbens, der an jedem Ende seines Weges abrupt abstoppt und die Kraft der Explosion im Verbrennungsraum über Umwege und eine Kurbelwelle in Vortrieb des Fahrzeugs umsetzen kann, zieht der dreieckige Kolben im Wankelmotor Kreise und kann so die Energie direkt in einer Drehbewegung an das Getriebe weitergeben.

Das Geheimnis findet sich in einer Exzenterwelle, die den Kolben im Motorblock an drei Kammern entlangstreifen lässt. In der ersten wird das Kraftstoff-Luftgemisch angesaugt und verdichtet, in der zweiten vom Funken einer Zündkerze zur Explosion gebracht und in der dritten wieder ausgestoßen. Die entstehenden Abgase lassen sich weniger gut entgiften, weshalb dem Wankelmotor auch in den Vereinigten Staaten keine große Zukunft beschert war. Akribische Entwicklungsarbeit führte jedoch zum positiven Ergebnissen, sowohl der Mazda RX-7 als auch der bis 2012 gebaute RX-8 erhielten die Zulassung für Nordamerika.



Wer aber war der Tüftler und Erfinder, der sich eine solch komplexe Maschine ausgedacht hatte? Felix Wankel wurde 1902 in Lahr geboren, und legte eine mittelmäßige Schulkarriere hin. Er selbst bezeichnete sich als Nichtmathematiker, der kaum mehr als die vier Grundrechenarten beherrschte. Seine Vorstellungskraft erlaubte ihm jedoch den Schritt in überaus komplexe physikalische Konstruktionen. Er verschmolz in gewisser Weise mit dem Stahl, aus dem er seine Maschinen formte. Allerdings war die politische Karriere Wankels nicht blütenrein, um die 1930er Jahre tat er sich als Führer der Hitlerjugend Baden hervor, wurde allerdings aufgrund von Verwerfungen mit den Größen des Nazi-Regimes zu mehreren Monaten Haft verurteilt. Erst seine Nähe zum Industirellen und Obergruppenführer Wilhelm Keppler ließ ihn reüssieren und das Interesse des Führers wecken. Zahlreiche, wenngleich nicht bahnbrechende Erfindungen begleiteten seine Zeit während der Kriegsjahre.  

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs bezeichnete er seine Verstrickungen mit den Nazis einen bösen Bubenstreich und entwickelte den nach ihm benannten Motor weiter, brachte ihn zu hinreichender Serienreife. Was NSU und andere als erfolgversprechenden Weg erachteten. Denkwürdig ist die Kooperation mit Daimler, der Hersteller bedachte den Erfinder nach den Versuchen mit dem C111 unter anderem mit einem Mercedes-Benz 300 SE.

Allerdings hatte Wankel aufgrund seiner extremen Kurzsichtigkeit keinen Führerschein. Deshalb ließ er die stattliche Karosse nach Bremerhaven chauffieren und Amerika verschiffen, wo er den Benz höchstpersönlich auch ohne Lizenz fahren durfte. Er reiste hinterher und absolvierte das, was man heute als ausführlichen Roadtrip bezeichnen würde. Nach mehreren Monaten ohne besondere Vorkommnisse in der Neuen Welt kehrten Ross und Reiter unversehrt nach Deutschland zurück. Der Oldtimer befindet sich heute in Privatbesitz und ist mit allen akribisch von Felix Wankel geführten Fahrtenbüchern tadellos erhalten.

Was aus Wankels Motor wird? Nun, Mazda glaubt felsenfest an die Vorteile des kreisenden Kolbens. Nach dem Produktionstopp des RX-8 und einer Pause von zehn Jahren ist der Rotationskolbenmotor wieder in einem Modell der Marke zu finden. Allerdings nicht als direkte Antriebsquelle, sondern als Range Extender, der einen Generator zur Ertüchtigung des Akkus bedient. Im MX-30 sorgt er so für eine im Vergleich zur sich rein batterieelektrisch fortbewegenden Version für eine erheblich höhere Reichweite.

75 PS für den MX-30 R-EV



Das Einscheiben-Aggregat leistet 75 PS (55 kW) und springt immer dann ein, wenn der Füllstand des 17,8 kWh speichernden Akkus unter 45 Prozent fällt. Der Motor hat ein Kammervolumen von 830 Kubikzentimeter, was etwa 1,66 Litern Volumen bei einer Hubkolben-Maschine entspricht. Für den Antrieb ist jedoch ausschließlich der deutlich stärkere Elektromotor zuständig, der seine Leistung von 170 PS (125 kW) und seine Drehmomentspitze von 260 Newtonmetern stets an die Vorderräder weitergibt. Bei rein elektrischer Fahrt reicht die Akkuladung für 85 Kilometer, mit seinem Wankel als Reichweitenverlängerer und 50 Liter Benzin im Tank kommt der MX-30 R-EV gut 600 Kilometer weit.

Das Zusammenspiel funktioniert verglichen mit Hubkolbenmotoren wohltuend leise und vibrationsarm. Hörbar ist der kreisende Kolben dennoch, er meldet sich mit sonorem Schnurren zum Arbeitseinsatz. Dabei fährt sich der 1780 Kilogramm wiegende R-EV wie ein waschechtes Elektroauto, mit großer Elastizität und angemessenem Spurtvermögen. 9,1 Sekunden braucht er von null auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit ist allerdings aus Gründen der Energieeffizienz auf 140 km/h begrenzt. Den Treibstoffverbrauch nach WLTP-Norm gibt Mazda mit einem Liter auf 100 Kilometer an, was allerdings nur dann gilt, wenn der Akku vor jeder Fahrt per Kabel aufgeladen wird. An einer 11 kW-Wallbox dauert das anderthalb Stunden, an einer DC-Ladesäule mit mindestens 36 kW soll er nach 25 Minuten wieder zu 80 Prozent gefüllt sein. Der WLTP-Stromverbrauch liegt bei 17,5 kWh je 100 Kilometer.

Die höherwertigen Ausstattungen bieten eine 230-Volt-Steckdose mit 1500 Watt Leistung, genug für das Holzzerkleinern mit der Kettensäge im Wald. Einen Anhänger für die Scheite muss jedoch ein anderer ziehen, eine Kugelkopfkupplung ist für den MX-30 R-EV nicht zu haben. Dafür genügt der Wankelmotor dank Abgasrückführung, Katalysator und Ottopartikelfilter den aktuell strengsten EU-Emissionsnormen. Das Basismodell des neuen Mazda steht für 35.990 Euro ab Dezember bei den Händlern, eine Umweltprämie bekommt er im Gegensatz zu seinem rein elektrischen Brudermodell jedoch nicht.

Felix Wankel hat die Renaissance seiner Antriebsmaschine nicht mehr erlebt. Der Motoren-Pionier, der noch in den 1970er Jahren persönlich die Motorredaktionen deutscher Tageszeitungen besuchte und die verantwortlichen Redakteure von seinen Ideen überzeugen wollte, starb 1988 in Heidelberg. Den Namen Wankel aber umgibt weiterhin des Mysterium der Genialität und der unbeirrbaren Überzeugung von einer Idee, die in der Motorenentwicklung immer noch ihresgleichen sucht. (cen)

Foto: Autoren-Union Mobilität/Audi/Mazda/Daimler/Archiv

 


Veröffentlicht am: 30.10.2023

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