Morgengruß von Helmut Harff: Alles Europafeinde

Geht es um Wahlen im Osten und die Erfolge von Parteien, die dem gemeinsamen Europa zumindest kritisch gegenüber stehen, dann suchen alle nach Erklärungen dafür. So war das auch gestern beim Sommertreffen der Europafreunde e.V. Berlin. Klar ging es dabei auch um die EU, zumal auch die Europaabgeordnete Hildegard Bentele zu Gast war.

Die Menschen, die sich für ein gemeinsames Europa stark machen, verweigerten sich einfachen Antworten. Die lauten ja immer, dass die Menschen aus den ganz alten Bundesländern schon von Kindesbeinen an viel im europäischen Ausland unterwegs waren. Als ob die, die im einzigen Arbeiter- und Bauernstaat aufwuchsen, nicht auch sehr gern gereist sind. Die Möglichkeit zu reisen spielte vom Anfang der DDR bis zu ihrem Schlussakkord eine riesige Rolle – für das Volk und für die, die sie regierten. Konnte man sich in den ersten Jahren kaum eine Reise leisten, änderte sich das langsam. Das Fernweh trieb viele aus der DDR. Das Ergebnis war die Mauer. Nun konnte man nur noch nach Polen, in die Tschechoslovakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien reisen. In die Sowjetunion kam man nur für sehr viel Geld oder im sogenannten Freundschaftszug. Doch egal welche Beschränkungen es gab, der DDR-Bürger war in seinem Europa unterwegs.

Irgendwann reichte das einfach nicht mehr. Die Ostmenschen wollten mehr von der Welt sehen und stellten immer häufiger Ausreiseanträge. Andere wurden erfolgreiche Künstler oder Sportler und durften so „raus“. Auch ich fuhr auf Westgastspiel mit der „Komischen Oper“. Das beruhigte nicht – ganz im Gegenteil. Irgendwann durfte man nicht einmal mehr nach Polen – dort herrschte damals Kriegsrecht.

Doch die Reiselust wurde immer größer. Es kam zum Europaspaziergang in Ungarn, und einige Hundert DDR-Bürger „reisten aus“, rissen aus. Dann stürmten reiselustige DDR-Menschen die Botschaften und mit seiner Rede in der Prager Botschaft (Ihre Ausreise…) schlug Bundesausminister Hans-Dietrich Genscher einen weiteren Sargnagel ein. Das entgültige Ende der so reiseunlustigen DDR besiegelte dann ausgerechnet die DDR-Partei- und Staatsführung mit ihrer neuen Reise-Reglung, die irrtümlich sofort gelten sollte. Die DDR-Grenze war Geschichte.

Doch ohne den richtigen Pass und das richtige Geld war das Reisen noch immer mehr Wunsch als Wirklichkeit. Die DDR-Leute wollten beides so, dass sie dafür auch ihren Beitritt zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland einfach so mitmachten. Alles hat eben seinen Preis.

Wer mag mit dieser Geschichte noch behaupten, die Menschen im Osten seien keine Europäer, wüssten die Reisefreiheit und die gemeinsame Währung nicht zu schätzen? Wenn einer das abschaffen wollte, würde er bei der nächsten  Wahl kaum noch die 5-Prozent-Hürde überwinden.

Die Beste Frau der Welt und ich werden beim Frühstück mal unsere nächsten Reisepläne besprechen.

Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück.

Gratulation allen, die heute Namenstag haben:  Otmar, Edgar, Pedro

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