Nach 100 Jahren kehrt Marian Ruzamski zurück: Eine Ausstellung über Leben und Werk eines fast vergessenen Künstlers.
Marian Ruzamski wurde von den Katastrophen des 20. Jahrhunderts beinahe aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht. Hundert Jahre nach seiner letzten großen Einzelausstellung tritt Ruzamski nun wieder an die Öffentlichkeit – und erstmals vor ein Publikum, das sein Werk in seiner ganzen Bedeutung würdigen kann. Als Jude und Homosexueller denunziert, von den Nationalsozialisten nach Auschwitz deportiert und später nach Bergen-Belsen verschleppt, wo er vor Kriegsende starb. Als Künstler hat er das Leben in den Lagern und deren Insassen einfühlsam porträtiert.
Die dramatischen Umbrüche des vergangenen Jahrhunderts prägten das Leben von Marian Ruzamski: Geboren 1889 in Lipnik bei Bielsko-Biała, stammte er aus einer kulturell vielfältigen Familie. Seine Mutter war eine französische Jüdin, sein Vater ein polnischer Notar. Der junge, hochbegabte Künstler musste 1914 als damaliger Bürger Österreich-Ungarns sein Stipendium in Paris abbrechen und Frankreich verlassen, da er mit Kriegsbeginn zum „feindlichen Ausländer“ wurde. Im Ersten Weltkrieg verschleppten ihn russische Truppen nach Charkiw. Aus den Wirren der Revolution kehrte er schwer traumatisiert in den jetzt freien jungen polnischen Staat zurück. Während der deutschen Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg wurde Ruzamski 1943 als Jude und Homosexueller denunziert, von den Nationalsozialisten nach Auschwitz deportiert und später nach Bergen-Belsen verschleppt, wo er vor 80 Jahren am 8. März 1945 kurz vor Kriegsende starb.
Doch obwohl Ruzamskis Leben von Krieg, Verfolgung und Gewalt überschattet war, erzählen seine Werke eine andere Geschichte. Seine Bilder sind geprägt von einer tiefen Humanität, von Szenen des Alltags und einer fast schwebenden Leichtigkeit – als würde ein anderes, friedliches Jahrhundert an uns vorüberziehen. Es sind poetische, eindringliche Bilder, die an sommerliche Landschaften erinnern, nicht an Terror und Zerstörung.
Wie durch ein Wunder ist ein umfangreiches Werk erhalten geblieben. Über 130 Kunstwerke aus allen Schaffensphasen Ruzamskis werden nun erstmals in einer großen Gesamtschau gezeigt: von den frühesten Zeichnungen aus seinem Kunststudium an der Akademie der Künste in Krakau bei Jacek Malczewski, über Arbeiten aus der Gefangenschaft während des Ersten Weltkriegs, Werke aus der Zwischenkriegszeit bis hin zu den erschütternden Porträts, die Ruzamski im Lager-Krankenbau des Konzentrationslagers Auschwitz schuf – die von ihm so betitelte „Auschwitz-Mappe“. Diese 47 Porträts, entstanden unter unmenschlichsten Bedingungen, stehen als Mahnmal der Kunst gegen die Barbarei und bilden den tragischen Höhepunkt seines Werks – ein polnisches Guernica, ein Denkmal gegen das Vergessen.
Die Ausstellung entsteht in Zusammenarbeit mit dem Schlossmuseum in Tarnobrzeg und dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau. Sie wird unterstützt von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und der Gerd-Kaimer-Bürgerstiftung Solingen sowie weiteren Förderern. Nach der Erstpräsentation im Museum Zentrum für verfolgte Künste wird die Ausstellung in Tarnobrzeg, der letzten Heimat Ruzamskis, gezeigt und im Frühjahr 2026 im Palast der Schönen Künste in Krakau, wo Ruzamski 100 Jahre zuvor seine letzte Einzelausstellung hatte.
„Vielleicht wird der Leser diese Sichtweise als sehr subjektiv empfinden, doch ich bestehe darauf, dass jede wörtliche Beschreibung der Hölle von Auschwitz eine Untertreibung, eine Unbeschreibung ist. Die Schläge, die einem Menschen zugefügt werden, können mit einer Kamera – also in einer Fotografie – oder sogar in einem realistischen bzw. naturalistischen Gemälde beziehungsweise einer Zeichnung festgehalten werden; aber wie soll der geistige Zustand des Geschlagenen – seine Erniedrigung und sein Leiden – auf diese Weise abgebildet werden? Hierfür bedarf es der Vorstellungskraft des Menschen! Und was könnte besser geeignet sein, die Vorstellungskraft zu aktivieren, als eine Allegorie, eine Metapher, eine Umkehrung? Also doch Poesie, Musik und Kunst – allerdings nicht zu realistisch, denn sie können die Metapher auslösen. (…) Ich habe Marian Ruzamski nicht in Auschwitz getroffen. Am selben Tag begannen unsere „Todesmärsche“ – zum selben Umschlagplatz in Loslau. Mich brachten Viehwaggons nach Buchenwald, ihn nach Bergen-Belsen. Ich danke Professor Tadeusz Zych und Direktor Jürgen Kaumkötter für eine Ausstellung, in der Marian Ruzamskis Werk so eindrucksvoll präsentiert wird.“
Marian Turski (†), Schirmherr der Ausstellung
Initiator der Ausstellung war der große Zeitzeuge und Auschwitz-Überlebende Marian Turski, der am 18. Februar 2025 verstorben ist. Ihm, der sich zeitlebens gegen das Vergessen und für die Erinnerung an die Opfer von Auschwitz engagiert hat, ist diese Ausstellung gewidmet.
80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs laden wir gemeinsam mit unseren polnischen Partnern herzlich zur Eröffnung der Ausstellung „Marian Ruzamski. Die Kunst der Erinnerung“ ein – am Donnerstag, den 8. Mai 2025, dem Tag der Befreiung, um 18:00 Uhr im Museum Zentrum für verfolgte Künste in Solingen.
Es sprechen:
Prof. Dr. Jürgen Wilhelm
Stellvertretender Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland
Tim Kurzbach
Oberbürgermeister der Stadt Solingen
Gesandter Rafał Sobczak
Direktor des Polnischen Instituts Düsseldorf
Łukasz Nowak
Prezydent Miasta Tarnobrzeg
Verlesung des Grußwortes von Marian Turski (†)
Rundgang durch die Ausstellung mit Prof. Dr. Tadeusz Zych, Direktor des Schlossmuseums Tarnobrzeg und Dr. Jürgen Kaumkötter, Direktor des Museums Zentrum für verfolgte KünsteIm Anschluss laden wir Sie herzlich zu einem Empfang ein.
Museum Zentrum für verfolgte Künste
Wuppertaler Straße 160
42653 Solingen
info@verfolgte-kuenste.de
Telefon: +49 (0)212 23374752
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag: 10–17 Uhr
Montags geschlossen
Eintritt: 9,00 €, ermäßigt 4,50 €,
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre Eintritt frei
Bild: Marian Ruzamski, Selbstbildnis, Konzentrationslager Auschwitz, 1943 – 1944, Bleistift auf Papier, 25 × 20 cm, Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau
MARIAN RUZAMSKI. DIE KUNST DER ERINNERUNG
... im Museum Zentrum für verfolgte Künste
Veröffentlicht am: 05.05.2025
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