Glitzer funkelt und flirrt, fasziniert und empört. Es ist auf Bühnen ebenso zu finden wie auf Protestplakaten und in Kinderzimmern. Glitzer ist omnipräsent – und doch ist das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) weltweit das erste Haus, das diesem Material eine Ausstellung widmet.
Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf Glitzer als Symbol für Zugehörigkeit, Empowerment und Selbstbestimmung und beleuchtet den Einsatz in politischen Kontexten und kollektiven Bewegungen. Rund 40 internationale Positionen aus Kunst und Gestaltung widmen sich Glitzer als Ausdruck der Freude an gesellschaftlicher Vielfalt und kollektiver Ausgelassenheit, als Mittel des Protests, der Performance und Popkultur, als Symbol der Sichtbarmachung marginalisierter Gruppen und des Widerstands gegen Körpernormen. Gezeigt werden unter anderem ein glitzerndes Jugendzimmer der Hamburger Künstlerin Jenny Schäfer, Fotografien von Quil Lemons, Skateboards von Mickalene Thomas, GIFs von Molly Soda, Show-Perücken der Hamburger und Mohamad Barakat-Götz für Olivia Jones und ein Bühnenoutfit von Bill Kaulitz. Ab Juni 2025 wird die Ausstellung mit der Rauminstallation „Puff Out“ des türkisch-belgischen Duos :mentalKLINIK um 300 Quadratmeter fuchsiafarbenen Glitzer erweitert.
Besucher*innen sind immer wieder eingeladen, sich zu beteiligen – sei es im Vorfeld der Ausstellung mit der Einsendung von privaten Lieblingsobjekten, durch Ergänzungen wichtiger Glitzer-Ereignisse in einer funkelnden Timeline zur Geschichte des Materials oder selbst gestaltend im D.I.Y.-Raum. Der Vorverkauf für Glitzer-Tickets und Gutscheine hat bereits begonnen, erhältlich unter tickets.mkg-hamburg.de.
Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien: „Früher war vielleicht mehr Lametta, dafür ist heute mehr Glitzer! Das MK&G widmet diesen winzig kleinen Partikeln, die oftmals ganz große Emotionen provozieren, eine ganze Ausstellung. Glitzer ist mehr als nur funkelnde Dekoration – es ist ein Symbol für Sichtbarkeit, Selbstbestimmung und Widerstand. Dabei fasziniert und provoziert es in gleichem Maße. Die Ausstellung ‚Glitzer‘ ergründet diese Verwendungen und die Bedeutungen in unterschiedlichen sozialen sowie kulturellen Kontexten. Als erste Ausstellung zu diesem Thema zeigt ‚Glitzer‘ damit die schillernden Facetten dieses Materials im Herzen unserer Kulturstadt Hamburg und setzt gleichzeitig ein wichtiges Zeichen für Vielfalt in unserer Gesellschaft.“
Tulga Beyerle, Direktorin des Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg: „Glitzer ist das Lebensgefühl einer diversen Gesellschaft und ein Symbol für Zugehörigkeit und Willkommensein. Die Ausstellung feiert die Freude an Glitzer – als Material der Gestaltung, als Mittel des individuellen Ausdrucks und als gesellschaftliches Phänomen. Wir freuen uns sehr, dass wir so viele Menschen einbinden können – sei es über persönliche Glitzergeschichten oder über die Zusammenarbeit mit Communities. Als Raum für Viele möchten wir unterschiedliche Perspektiven sichtbar machen und die Offenheit dafür nachhaltig in unserer Gesellschaft verankern.“
KAPITEL DER AUSSTELLUNG
Die sechs Kapitel der Ausstellung verdeutlichen die vielfältigen, komplexen und teils widersprüchlichen Zusammenhänge, in denen Glitzer auftaucht.
Im zentralen Raum der Ausstellung – der Hall of Glitter – eröffnet sich ein vielstimmiger Glitzerkosmos: Einhörner und Stickeralben, Handyhüllen, Nagellack, Weihnachtsschmuck und Tanzschuhe stimmen die Besucher*innen auf die Faszination für das Material ein. Die rund 100 in einem Open Call zusammengetragenen, privaten Lieblingsobjekte werden von persönlichen Geschichten begleitet.
Der Raum Glitter up! untersucht die Rolle von Glitzer in Protesten und der Auseinandersetzung mit Körperidealen, Rollenerwartungen und Sichtbarkeit von marginalisierten Gruppen. Dokumentarische Aufnahmen von Mirjana Mitrovic, Gisela Volá und Mercedes Grassi King zeigen grünen und pinken Glitzer als aktivistisches Material feministischer Proteste und als Symbol von Solidarität in Mexiko und Argentinien. Die US-amerikanische Fotografin Hannah Altman lenkt in ihren Portraits mit effektvollem Glitzer die Blicke auf tabuisierte Körperflüssigkeiten und Imperfektionen. Lorenzo Triburgo und Sarah Van Dyck aus New York City verwischen in ihrer fotografischen Serie Gendergrenzen und nehmen selbstbewusst historische Orte und Posen ein. Die Burlesque-Performerin Pansy St. Battie setzt sich, ihren Körper und ihren Rollstuhl selbstbewusst glitzernd in Szene.
Im Kapitel Sparkle and Shine sind Kostüme, Perücken, Nail Art und Videoarbeiten zu sehen. Es geht weniger um Showeffekte als um die fragilen Momente einer Inszenierung von Identität und Kollektivität. Ein Bühnenoutfit von Bill Kaulitz aus der Tokio Hotel-Tour „Humanoid“ 2010 trifft auf extravagante Perücken der Hamburger Wig-Artists Karl Gadzali und Mohamad Barakat-Götz. Großformatig spielt die neonglitzernde Videoarbeit „Style Over Substance“ des australischen Duos The Huxleys mit Glamour und Absurdität. 100 ausgefallene und raumgreifende Nail Designs geben Einblick in die internationale Szene und deren überbordende Kreativität. Im Kostüm der brasilianischen Künstler*in Rafa Bqueer verbindet sich glitzernde Pop-Ästhetik mit indigenen Symbolen und Narrativen. Die Videoarbeit „Epilogue“ von Cao Guimarães und Rivana Neuenschwander erzählt vom Moment nach dem Auftritt: Eine Gruppe von Ameisen räumt emsig glitzerndes Konfetti beiseite.
Für den Raum Teenage Glitter inszeniert die Hamburger Künstlerin und Fotografin Jenny Schäfer ein funkelndes Jugendzimmer. Eine Filminstallation der Hamburger Filmemacherin Sarah Drath sowie die Videoarbeiten der US-amerikanischen Performance- und Medienkünstlerin Molly Soda montieren Glitzer-Momente aus Film- und Fernsehgeschichte sowie zeitgenössischer Internetkultur. Analoge Collagen von Chila Kumari Singh Burman und Andrés Pérez sowie die von der Malerin Mickalene Thomas gestalteten Skateboards fügen sich in die Rauminstallation ein, brechen aber gezielt mit Mainstream-Bildern des Coming of Age und beleuchten das Aufwachsen als Teil einer marginalisierten Gruppe. Der inzwischen als Modefotograf und Künstler weltweit rezipierte Quil Lemons thematisiert in seiner frühen Fotoserie „Glitterboy“ stereotype Männerbilder und die fehlende Sichtbarkeit Schwarzer Jungen.
Das Kapitel Glitter Craft widmet sich dem Selbermachen. Als günstiges und effektvolles Material eignet sich Glitzer in besonderer Weise für Verzierung und Aufwertung. Internationale D.I.Y.-Artists zeigen einen spielerischen und selbstbewussten Umgang mit dem oft als kitschig abgewerteten Material, mit Klischees, Kitsch und Konventionen. In fünf Video-Tutorials laden Damali Abrams, María Domínguez Moreno, Sam Reece, Fleur Stiels und Fiona Tretau dazu ein, selbst aktiv zu werden: An einem zentralen Tisch werden vielfältige Materialien angeboten, die in und abseits von regelmäßig stattfindenden Workshops genutzt werden können.
In der Glittermania – Geschichte des Glitzerns steht Glitzer als Material und Phänomen, sowie seine Geschichte, Produktion und Nutzung im Fokus. Die Timeline, bestehend aus Texten, Fotos, Videos und Objekten reicht von Cleopatra über die Glitzer-Erfindung im Jahr 1934 in New Jersey bis zur The Eras Tour von Taylor Swift 2024. Zudem werden die Debatten über den umwelt- und potentiell moralschädigenden Charakter von Glitzer aufgefächert. Besucher*innen sind eingeladen, weitere Glitzer-Höhepunkte zu ergänzen.
Ab 5. Juni 2025 wird in zwei benachbarten Ausstellungsräumen die ebenso poetische wie immersive Installation „Puff Out“ des türkisch-belgischen Duos :mentalKLINIK gezeigt. Sie besteht aus knapp 20 Staubsaugerrobotern, die so modifiziert wurden, dass sie Glitzer einsaugen und zugleich hinter sich wieder ausspucken. So malen sie ein abstraktes, sich ständig veränderndes „Gemälde“ auf dem pink glitzernden Boden.
POSITIONEN DER AUSSTELLUNG
:mentalKLINIK (Belgien / Türkei), Damali Abrams (USA), Hannah Altman (USA), Sophia Bizer (Deutschland), Chila Kumari Singh Burman (Großbritannien), Alea Burmester (Deutschland), Rafa BQueer (Brasilien), Dean und Dan Caten (Kanada), T.L. Cowan (Kanada), María Domínguez Moreno / Doodlelingyou (Spanien), Sarah Drath (Deutschland), Karl Gadzali und Mohamad Barakat-Götz (Deutschland), Cao Guimarães und Rivane Neuenschwander (Brasilien), Regine Eurydike Hader (Deutschland), The Huxleys (Australien), Bill Kaulitz (Deutschland / USA), Mercedes Grassi King (Argentinien), Quil Lemons (USA), Mirjana Mitrovic (Deutschland), Andrés Pérez (Venezuela), Sam Reece / Shitty Craft Club (USA), Jenny Schäfer (Deutschland), Molly Soda (USA), Pansy St. Battie (USA), Fleur Stiels / Holy Glitter Zine (Niederlande), Fiona Tretau / The Propcorner (Deutschland), Lorenzo Triburgo und Sarah Van Dyck (USA), Gisela Volá (Argentinien) u.a.
Nail Artists: 3rzhuobabypink (China), Peggy Chen (Taiwan), ckdesignedit (USA), Dracula Nails (Ungarn), Franziska Unger / Franzischek (Deutschland), Natasha Blake / Fuego Nails (Großbritannien), Reina Takano / hitomebore (Japan), Keele Ma’llo / Honeybabysets (Kanada), Afa/Soppi / Isla Berlin (Deutschland), Louise Corbert / Nettle Nails (USA), Anna Sancho Barbera / Pannkks (Spanien), Minki Warhol / Sex Nails (Deutschland), Thams Does Claws (Deutschland), Citlali Guetierrez / unitas_f3ass (USA), Britney Tokyo (USA), Maria Vanails (Griechenland), Zaira Vega (Mexiko)
RAHMENPROGRAMM
Das vielfältige Begleitprogramm wird in den Ausstellungsräumen, dem Freiraum im MK&G und an verschiedenen Orten Hamburgs veranstaltet. In abwechslungsreichen Formaten und in Kooperationen mit lokalen Initiativen und Akteur*innen soll die Faszination und Freude am Material erlebt, Foren und Räume des Austauschs geschaffen, Menschen zusammengebracht und das widerständige Potenzial von Glitzer diskutiert werden. Unter anderem finden Gespräche, Drag-Führungen, Filmreihen und Glitzerrundgänge zu unterschiedlichen Aspekten von Design, Identität, Politik, Stadtgesellschaft und Gemeinschaft mit Blick auf die Rolle von Glitzer statt. Das Museum kooperiert mit dem Kurzfilmfestival Hamburg, dem Queer History Month und Hamburg Pride e.V.. Der D.I.Y-Raum in der Ausstellung wird an jedem ersten Wochenende des Monats durch eine vielseitige Workshop-Reihe während der Laufzeit aktiviert.
FILME
Glitzer-Filmprogramm auf dem Kurzfilmfestival Hamburg
Donnerstag, 5. und Freitag, 6. Juni 2025
mehr Informationen in Kürze unter: festival.shortfilm.com
WORKSHOPS
Doing Glitter mit María Domínguez Moreno (DOODLELINGYOU)
Samstag, 1. März 2025, 13–16 Uhr
Ort: D.I.Y.-Space in der Ausstellung
Teilnahmegebühr: 6 Euro, mit Glitzer-Fan-Ticket: kostenlos
Anmeldung erforderlich unter tickets.mkg-hamburg.de
Doing Glitter mit Laura Schröder
Samstag, 5. April 2025, 12–16 Uhr
Ort: D.I.Y.-Space in der Ausstellung
Teilnahmegebühr: 6 Euro, mit Glitzer-Fan-Ticket: kostenlos
Anmeldung erforderlich unter tickets.mkg-hamburg.de
Doing Glitter mit Fleur Stiels (Holy Glitter Zine)
Samstag, 7. Juni 2025, 13–16 Uhr
Ort: D.I.Y.-Space in der Ausstellung
Teilnahmegebühr: 6 Euro, mit Glitzer-Fan-Ticket: kostenlos
Anmeldung erforderlich unter tickets.mkg-hamburg.de
WEITERE STATION
Nach dem Auftakt im MK&G wandert die Ausstellung ins Kunstgewerbemuseum Winterthur und wird dort vom 27. November 2025 bis 17. Mai 2026 gezeigt.
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Steintorplatz
20099 Hamburg
Bild: Ausstellungsgrafik "Glitzer", Design: Rimini Berlin
„Glitzer“
... im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Veröffentlicht am: 29.01.2025
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