
Jede  Krise hat Gewinner und Verlierer. Zu den Verlierern gehören auch Sätze.  Manchmal sind wir sogar froh darüber, wenn niemand klagt „Schatz ich  habe nichts anzuziehen“.
Mal ehrlich, so gern haben viele Männer  diesen Satz nicht gehört, noch viel weniger äußerten sich Männer so –  den Autor mal ausgenommen. „Schatz ich habe nichts anzuziehen“ – das  legt oder besser legte man wohl nicht zu unrecht den Frauen in den Mund.  Ich gestehe gern zu, dass Frau das nicht genau so meinte, wenn sie vor  dem prall gefüllten Kleiderschrank oder im ebenfalls vollen  Ankleidezimmer stand. Eigentlich sollte der Satz wohl heißen „Schatz,  ich habe nichts neues zum Anziehen, mit dem alten (schon einmal  getragenen) Fummel kann ich mich doch nicht sehen lassen“. Der Satz  passt genauso in die Zeit wie die Frage „Wohin fahren wir in den  Winterferien?“.
Keine Reise, keine Events, keine Termine, keine  Treffen, arbeiten am heimischen Schreibtisch – da braucht selbst der  modebewusste Mensch keine neuen Klamotten, keine neuen Schuhe, leider  nicht einmal neue Dessous. Selbst für Videokonferenzen reicht wie einst  bei den Tagesschausprechern – genannt die Menschen ohne Unterleib – ein  kamerataugliches Oberteil, das nicht zu viele Falten wirft.
Da  bleibt viel Geld auf den Konto. Hoffentlich nicht gleich so viel, dass  Negativzinsen fällig werden. Na gut, die so gesparten Tausender kann man  gleich mal zum Aufhübschen der eigenen vier Wänden verwenden. Ist doch  toll, wenn das Home Office bei der nächsten Videokonferenz in neuem  Glanz erstrahlt. 
Doch wo etwas Licht ist auch viel Schatten: Und  die werfen der stationäre Einzelhandel und die Hersteller. Zu den  ersten großen Verlieren gehört die Billig-Modekette ADLER, die gerade  Insolvenz in Selbstverwaltung angemeldet hat. Noch übt man sich nach dem  Motto "Die Hoffnung stirbt zuletzt" und hofft, dass man irgendwie  dennoch überleben kann. Das kann man zumindest für die Mitarbeiter  hoffen.
Doch wenn eine Kette wie ADLER so ins Trudeln kommt, so  hat das nicht nur Auswirkungen auf hiesige Mitarbeiterinnen und die  wenigen Männer im Unternehmen, sondern es wirkt sich auch direkt auf die  Näherinnen in Asien und sonstwo aus. Kein Verkauf in Deutschland  bedeutet keine Produktion in den Billiglohnländern. Hier gibt es  Insolvenzausfallgeld, in Bangladesch oder Vietnam kann niemand darauf  hoffen und die Frauen und ihre Familien da sind wortwörtlich auf jeden  Cent angewiesen. 
„Schatz ich habe nichts anzuziehen“ – dass  dieser Satz so gut wie nicht mehr zu hören ist, ist verständlich. Doch  er zeigt auch, was die Krise mit uns und mit Menschen, die tausende  Kilometer entfernt von uns leben und arbeiten, macht. Wir sitzen zu  Hause und sehen kaum noch einen anderen Menschen, verlieren die Lust  daran, uns chic zu machen. Was soll die Lust daran auch anstacheln, wenn  wir schon monatelang nicht mehr shoppen können.
Ich befürchte,  ADLER ist erst der Anfang einer Pleitewelle, deren Ende ich nicht einmal  erahnen kann. Wenn es dann einmal wieder heißt „Schatz ich habe nichts  anzuziehen“ stellt sich wohl eher die Frage, wo kann man denn überhaupt  noch shoppen gehen.
Oh Gott, was ziehe ich jetzt nur zum Frühstück mit der Besten Frau der Welt an.
Ich wünsche Ihnen ein genussvolles Frühstück.
Gratulation allen, die heute Namenstag haben: Thomas v.C.
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