(Frank  Wald, Autoren-Union Mobilität) Die kann sich sehen lassen: Mit der  sportlich geschnittenen Limousine G70 fordert Genesis nicht nur  Premiumkarossen wie Jaguar XF oder Lexus ES heraus. 
Das  Luxus-Label aus dem Hyundai-Konzern kann sich in punkto Design, Qualität  und Ausstattung durchaus auch mit Audi A5 Sportback, BMW 4er Gran Coupé  oder Mercedes C-Klasse messen – ohne dass der Kunde dafür mehr Geld auf  den Tisch legen muss. Vorausgesetzt, er stellt keine großen Ansprüche  bei Motoren und Antrieb. Denn damit hapert es (noch). Es gibt bislang  nur einen Vierzylinder-Diesel sowie einen Turbobenziner – den wir für  unseren Alltagstest wählten.
Limousinen sind – zumindest in  West-Europa – in der Mittelklasse nicht wirklich gefragt. Wer bei der  Stufenheckform überhaupt noch punkten will, muss entweder einen „Stern“  oder eine „Niere“ im Kühlergrill tragen – selbst „vier Ringe“ reichen  offensichtlich nicht mehr, wie an Audis hohem Kombi-Anteil zu sehen ist.  Herausforderern bleibt da häufig nur die Betonung auf Exklusivität  abseits des Mainstreams oder eine besonders ansprechende Gestaltung. So  wie der Genesis G70, bei dem der Kunde beides bekommt. Neben einem  fünfjährigen Servicepaket inklusive aller Inspektionen, Wartungen und  persönlichen GPA-Assistenten („Genesis Personal Assistenten“) hat  Ex-Bentley-Designer Luc Donckerwolke der 4,69 Meter langen Limousine  eine Gestalt gegeben, an deren dynamische Formen und stimmige  Proportionen man sich kaum satt sehen kann.
Mächtig Eindruck  macht der lange Vorderwagen mit vergittertem Wappengrill und  Lufteinlässen, getoppt vom mittigen Flügel-Logo, das ein wenig an Aston  Marton erinnert, und von je zwei schmalen, ums Eck laufende  LED-Leuchtstreifen flankiert wird. Die coupé-ähnliche Silhouette mit den  modellierenden Blechfalten in den Flanken und den kurzen Überhängen  sowie der kurze Heckabschluss mit integriertem Spoiler, Diffusor und  zwei großen Auspuff-Ovalen suggerieren Eleganz und Sportlichkeit. Die  Rückleuchten greifen das Design der LED-Doppel-Leuchten auf, dazwischen  prangt prominent der Marken-Schriftzug.
Der G70 ist das älteste  Modell der jungen Nobelmarke, auch wenn Genesis in Deutschland mit dem  Oberklasse-Doppelpack G80 und GV80 gestartet ist. Bereits seit 2017  fährt das Modell auf einer Konzernplattform, die es sich mit dem Kia  Stinger teilt. Und ähnlich knapp geschnitten wie im Sportcoupé der  Konzernschwester ist trotz 2,84 Meter Radstand auch hier der Platz für  die Hinterbänkler. Wobei die dürftige Kopffreiheit der abfallenden  Dachlinie vielleicht noch durch eine fläzende Sitzhaltung kompensiert  werden könnte. Allein, dafür mangelt es hinten leider auch an Bein- und  Kniefreiheit. Und auch das Kofferraumvolumen ist mit 330 Liter einfach  viel zu mickrig für diese Klasse.
Nichts zu meckern gibt es  hingegen auf den vorderen Plätzen. Die bewährte Architektur ist hier in  punkto Gestaltung und Bedienführung ein Segen. Angefangen beim  klassischen, fahrerorientiertem Cockpit, dem griffigen T-Wählhebel für  die serienmäßige Achtgangautomatik oder den übersichtlich angeordneten  großen Tasten für Infotainment, Klimatisierung, Lüftung, Sitzheizung und  -lüftung. Apropos, die Ledersitze sind perfekt geschnitten und vor  allem auf längeren Fahrten sehr bequem. Wobei es etwas irritiert, wenn  der Fahrersitz ab 130 km/h automatisch die Sitzwangen anlegt. Wozu soll  das auf der Geraden gut sein? Sollte das nicht eher kurvenabhängig  geschehen? Wo sich der Europäer hier noch den Kopf kratzt, kann er in  punkto Materialauswahl und Verarbeitung im Interieur nur anerkennend  nicken. Was man greift, fühlt sich gut an. Das gilt insbesondere für  Details wie den sauber ausgeführten Nähten, metallenen Tasten sowie  genoppten Drehregler und Rändelräder, die ein hochwertiges Feedback  geben. Geschmacksache ist vielleicht das üppig verwendete Chrom und Alu,  wo das ein oder andere Carbon-Blende einer Sportlimousine auch gut zu  Gesicht gestanden hätte. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau und die  Autowelt außerhalb Europas steht nun mal auf Blingbling.
Wo der  Fahrer serienmäßig auf ein 8-Zoll-Info-Display blickt, ist in unserer  Luxury-Version ein 12,3 Zoll-Kombiinstrument in 3D-Optik verbaut. Ein  echter Hingucker im Wortsinne. Genauso wie die Totwinkelwarner, die sich  per Live-Kamerabild beim Blinken links in den Tacho und rechts in den  Drehzahlmesser einblenden. Über der Mittelkonsole thront ein  10,25-Zoll-HD-Touchscreen, nicht so übertrieben großformatig, wie es der  automobile Zeitgeist gerade verlangt, aber formschön integriert.  Sämtliche Funktionen des Infotainment-Systems können hier via  individualisierbarem Split-Screen schnell und intuitiv angezeigt und  gesteuert werden. Auch das Head-up-Display ist mit seiner brillanten  Darstellung von Navi- und Tempolimit-Hinweisen eine willkommene Hilfe im  deutschen Schilderwald.
Während der G70 in Sachen Interieur und  Ausstattung also durchaus auf Augenhöhe mit der Premiumkonkurrenz fährt,  muss er sie durch sein bescheidenes Motorenangebot davon ziehen lassen.  Es gibt ausschließlich konventionelle Vierzylinder-Verbrenner, und  davon auch nur je einen Diesel und Benziner. Das bedeutet nicht, dass  der von uns gefahrene 2-Liter-Turbobenziner mit 245 PS (180 kW), den es  im G70-Einstiegsmodell auch noch mit 197 PS (145 kW) gibt, nicht  ausreichen würde, die Limousine angemessen zu bewegen. Immerhin schnellt  sie in 6,6 Sekunden auf Tempo 100 und maximal sind auch 240 km/h  möglich. Und auch die unmerklich schaltende Achtstufenautomatik  harmoniert gut mit dem aufgeladenen Vierzylinder. Dennoch ist der Motor  mit einem leichten Knurren stets präsent, was auch nicht besser wird,  wenn er auf Tastendruck über das Boxensystem synthetisch aufpoliert  wird. Dabei gäbe es unter der Motorhaube noch reichlich Platz für zwei  weitere Töpfe, die der Limousine mehr Spritzigkeit und Laufkultur  verleihen würde.
Zumal auch das perfekt getrimmte Fahrwerk und  der optional verbaute Allradantrieb das Potenzial dafür hätten. Sowohl  im stabilen Geradauslauf, auf laubverschmierter Fahrbahn wie auch beim  engagierten Kurvenwedeln auf der Serpentinenpassage hält der G70  unbeirrt den einmal eingeschlagenen Kurs. Dazu passt auch die angenehm  direkte und präzise Lenkung, die ein gutes Feedback vermittelt. In  Kombination mit den elektronisch geregelten Dämpfern (Luxury- und  Sport-Version) wird daraus ein stimmiges Gesamtpaket, das in den vier  Fahrmodi Eco, Comfort, Sport und Sport+ variiert werden kann. Große  Unterscheide sind damit allerdings nicht zu erfahren, am ehesten noch  zwischen Comfort und Sport+, wenn das ESP ausgeschaltet, die Lenkung  spitzer und die Dämpfer jede Bodenrille melden. Im Eco-Modus regiert der  Motor sehr träge und wird gefühlt dem sportlichen Auftritt des G70  nicht mehr gerecht. Dafür spart man auf Dauer gut einen Liter Sprit ein,  was bei unseren 8,9 Litern Durchschnittsverbrauch auch nicht wirklich  eine Option für die entgangene Freude am Fahren gewesen wäre.
Bei  den Preisen hellt sich die Stimmung sofort wieder auf. Ab 48.490 Euro  gibt es den G70 in der Luxury Version, unter anderem mit allen  wesentlichen Fahrassistenten (Stau-, Spurhalte- und Spurfolgeassistent,  Kollisions- und Querverkehrswarner), beheizbaren Ledersitzen und  geregelten Dämpfern. Unser Testwagen war außerdem mit dem Technik- (u.a.  mit LED-Matrix-Doppelscheinwerfer, 12,3-Zoll-Kombiinstrument,  Head-Up-Display, 360-Grad-Übersichtskamera, Totwinkelassistent mit  Monitoranzeige und kabellose Ladestation) und Komfort-Paket (u.a. mit  luftkissenunterstütztem Fahrersitz, belüfteten Frontsitzen,  Einstelltasten am Beifahrersitz für Beinfreiheit im Fond, beheizbare  Fond-Sitze) sowie einem Lexicon-Soundsystem, Panorama-Glasdach und  19-Zoll-Rädern ausgestattet. Macht unterm Strich: 55.790 Euro. 
In den  Listen der heimischen Hersteller gibt’s dafür vergleichbare Modelle und  Antriebe (Audi A5 Sportback 45 TFSI quattro S-Line, BMW 430i GranCoupé,  Mercedes-Benz C 300 4Matic) gerade mal in ihren Grundausstattungen.
Foto: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald
Der Genesis G70
... ein heißer Herausforderer mit Herzschwäche
Veröffentlicht am: 18.01.2022
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