
Fernando Pessoa, José Saramago und António Lobo Antunes haben die portugiesische Literatur ab den 1980er-Jahren in Deutschland bekannt gemacht und prägen ihr Bild bis heute.
Doch neben diesen  Klassikern bietet das Gastland der Leipziger Buchmesse 2021 auch eine  ganze Generation neuer portugiesisch-sprachiger Autor:innen, die auf dem  deutschen Buchmarkt bisher kaum bekannt sind. 
Zur Leipziger  Buchmesse (27. bis 30. Mai 2021) können sich die Leser:innen nicht nur  auf neuen, sondern auch ausgezeichneten Lesestoff aus Portugal und  weiteren portugiesisch-sprachigen Ländern wie Angola, Guinea-Bissau, Kap  Verde, Mosambik oder São Tomé e Príncipe freuen. Ein Gastlandauftritt,  der vielschichtige Perspektiven aus verschiedenen Kontinenten  verspricht.
Zu den jüngsten Stimmen zählt Afonso Reis de Cabral.  Von dem 30-Jährigen erscheint im März 2021 „Aber wir lieben Dich“ im  Hanser Verlag.  Das Buch basiert auf der wahren Geschichte der Ermordung  einer Transsexuellen, die nach anfänglichem Ruhm nun in einer Bauruine  in Porto haust. Niemand kümmert sich um sie, bis schließlich Rafa, ein  Junge aus einem Heim für Schwererziehbare, sie entdeckt. Es ist die  Begegnung zweier Menschen am Rande der Gesellschaft. Zerrissen zwischen  Attraktion und Verachtung, Gruppenzwang und Geltungsdrang, gleitet Rafa  in eine Spirale des Bösen. Cabral, der bereits mit 15 Jahren seinen  ersten Gedichtband veröffentlichte, wurde 2019 für diesen Roman mit dem  José-Saramago-Literaturpreis ausgezeichnet.
Auch von dem  Saramago-Literaturpreisträger und bereits in zahlreiche Sprachen  übersetzten Autoren José Luís Peixoto erscheint am 1. März 2021 ein  neuer Roman. In „Galveias“ (Septime Verlag) schlägt am Rande des  gleichnamigen Dorfes nachts ein geheimnisvoller Himmelskörper ein. Dies  verändert das Leben der Bewohner:innen, die dem Lesepublikum  sprachgewaltig vorgestellt werden: etwa ein ältlicher Casanova, dessen  Frau in der Schreckensnacht ihr Gehör einbüßt, eine betrogene Ehefrau,  deren Rache an ihrer Nebenbuhlerin sich plötzlich in Leidenschaft  verwandelt, ein Pfarrer, der ständig seine Nöte in Wein versenkt oder  ein Briefträger, der nach Bissau reist, um wie jedes Jahr seine in der  Heimat geheim gehaltene Familie zu besuchen. Es ist schon der dritte  Roman des 1974 (übrigens in Galveias) geborenen Autors auf Deutsch.
Der  bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete, 1970 in Angola geborene  Autor Gonçalo M. Tavares gilt als eine der großen Überraschungen der  jüngeren portugiesischen Literatur. Seine Bücher wurden in 55 Ländern  veröffentlicht und in über 30 Sprachen übersetzt. Im Rahmen des  Gastland-Auftritts gab es bereits 2020 einige wichtige Neuerscheinungen  von ihm: Mit „Herr Juarroz und das Denken“ wurde im Herbst der  zehnteilige Zyklus „Das Viertel“ nicht nur um einen weiteren Band  ergänzt. Auch die illustre Gesellschaft, die sich bislang u.a. aus „Herr  Valéry und die Logik“ und „Herr Brecht und der Erfolg“ zusammensetzte,  ist nun um eine Person reicher (Edition Korrespondenzen). Daneben nimmt  der Autor in „"In Amerika", sagte Jonathan“ (15. März 2021, Kupido  Verlag) das Publikum mit auf eine skurrile Reise mit Kafka in die USA.
Eine  Vertreterin einer ganz besonderen neuen Generation ist Isabela  Figueiredo (geboren 1963). Sie zählt zu jenen Autor:innen, die sich  literarisch kritisch mit den Themen Migration und Kolonisation  auseinandersetzen. In „Roter Staub“ (Weidle, 2019) beschrieb die Autorin  ihre Kindheit zur Kolonialzeit in Mosambik. Ihr neuer,  autobiographischer Roman „Die Dicke“ (März 2021, Weidle) handelt von  einer jungen, intelligenten und eigensinnigen Frau, die stark  übergewichtig ist. Dieser Umstand überlagert und beschädigt alles: ihre  sozialen Kontakte, ihr Gefühlsleben und ihren Wirklichkeitsbezug.
Ondjaki  ist nicht nur ein weiterer Saramago-Preisträger, sondern auch einer der  bedeutendsten Schriftsteller Afrikas. Von dem 1977 in Angola geborenen  und in Luanda lebenden Autor erscheint im März im TFM Verlag „Sonhos  azuis pelas esquinas – Blaue Träume in jedem Winkel“. Die zweisprachige  Ausgabe enthält 20 spannende Erzählungen, die meist auf Reisen spielen,  sich durch eine sehr poetische Sprache auszeichnen und das Alter Ego des  Autors immer wieder auftauchen lassen. Von Ondjaki wurden bereits zwei  Romane ins Deutsche übersetzt.
Lyrikfans können sich auf ein Buch  von Margarida Vale de Gato freuen: Die 1973 geborene portugiesische  Dozentin, literarische Übersetzerin und Autorin zweier Lyrikbände war  bereits mit einigen Gedichten in der „Anthologie Grand Tour – Reisen  durch die Junge Lyrik Europas“ vom Hanser Verlag vertreten. Im April  2021 erscheint die deutsche Übersetzung ihres Gedichtbandes „Die nicht  reklamierten Reste. Lyrisches Handbuch des Übersetzens" (Arbeitstitel)  beim Hochroth Verlag. Darin leiht sie berühmten Schriftstellerinnen ihre  Stimme, etwa Emily Dickinson, Anna Karenina und Christina Rossetti.
Einen  interessanten Überblick über das Schaffen der neuen  Autor:innen-Generation gibt der Elfenbein Verlag. Hier erscheint im  Frühjahr ein Buch mit Texten von fünf Stipendiat:innen, die am  Residenzprogramm der Botschaft von Portugal/Camões Berlim teilgenommen  haben, so etwa Afonso Cruz. Der 1971 geborene Autor, der zugleich  Illustrator, Musiker und Filmemacher ist, wurde bereits in zwanzig  Sprachen übersetzt und mit dem europäischen Literaturpreis  ausgezeichnet. Seit 2008 hat er rund 30 Bücher veröffentlicht, darunter  Romane, Theaterstücke sowie fiktive Enzyklopädien.
Auch die mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin und Performerin Patrícia Portela (geboren 1974) ist mit Texten vertreten. Sie lebt in Belgien und Portugal und hat sich durch ihre transdisziplinäre künstlerische Arbeit einen Namen gemacht.
Miguel Cardoso, der in Lissabon lehrt, übersetzt und schreibt, veröffentlichte Gedichte, Essays und andere Texte in verschiedenen Anthologien und Periodika. Als er 2019 als literarischer Residenzstipendiat einen Monat in Berlin war, hat er sich ausgehend von Berlinpostkarten unterschiedlicher Epochen und Texten von Walter Benjamin, Franz Kafka und Rosa Luxemburg poetisch mit der Stadt, mit ihren Bildern und der Erinnerung an sie auseinandergesetzt.




