Viele Menschen träumen davon, Deutschland zu verlassen - zumindest zeitweise. Das sollte doch in ein EU-Land, einen Schengen-Staat wie Portugal gar kein Problem sein.
Wir sprachen mit dem deutschen Honorarkonsul und Rechtsanwalt Dr. Alexander Rathenau in Lagos darüber, was es alles beim Wohnortwechsel nach Portugal zu beachten gibt und wann es Sinn macht, sich der Hilfe eines deutschsprachigen Anwaltes vor Ort zu bedienen.
Herr Dr. Alexander Rathenau, gibt es etwas, was man dringend beachten muss, wenn man als Deutscher, also als EU-Bürger, zeitweise oder dauerhaft nach Portugal auswandern will?
Dr. Alexander Rathenau:
Ja, unbedingt! Es ist wichtig, sich frühzeitig über rechtliche und steuerliche Aspekte zu informieren. Dazu gehören die Beantragung der portugiesischen Steuernummer (NIF), die Anmeldung bei den Behörden (Residência), steuerliche Pflichten sowie der Umgang mit möglichen Doppelbesteuerungen zwischen Deutschland und Portugal. Auch die Anpassung von Testamenten oder Vollmachten an portugiesisches Recht kann sinnvoll sein. Ein erfahrener Anwalt kann Sie in diesen Punkten unterstützen und so potenzielle Probleme vermeiden.
Ich habe in Lagos diverse Menschen getroffen, die hier und in Deutschland wohnen. Muss man festlegen, wo der Hauptwohnsitz ist?
Dr. Alexander Rathenau:
Ja, der Hauptwohnsitz muss festgelegt werden, insbesondere aus steuerlichen Gründen. Wer mehr als 183 Tage im Jahr in Portugal verbringt oder dort den Lebensmittelpunkt hat, gilt als in Portugal steuerlich ansässig. Dies hat Auswirkungen auf die Steuerpflicht, da Portugal in diesem Fall das Welteinkommen besteuern kann. Eine klare Regelung des Hauptwohnsitzes vermeidet Konflikte mit deutschen oder portugiesischen Steuerbehörden.
Muss man sich in Portugal irgendwo anmelden, zum Beispiel den Hauptwohnsitz, wenn der in Portugal sein soll?
Dr. Alexander Rathenau:
Ja, wenn Sie Ihren Hauptwohnsitz nach Portugal verlegen, müssen Sie sich beim örtlichen Rathaus (Câmara Municipal) anmelden und ein Certificado de Registo de Cidadão da União Europeia beantragen. Dieses Zertifikat ist für EU-Bürger erforderlich und gilt als Nachweis Ihrer Aufenthaltsberechtigung. Außerdem müssen Sie sich steuerlich beim Finanzamt (Autoridade Tributária) registrieren lassen.
Sollte man spätestens bei einer Kaufabsicht einen Rechtsanwalt konsultieren? Gibt es in Portugal etwas wie einen Notar in Deutschland?
Dr. Alexander Rathenau:
Ja, ein Rechtsanwalt sollte spätestens bei einer Kaufabsicht hinzugezogen werden. In Portugal ist die Rolle des Notars rein formal und beschränkt sich auf die Beurkundung des Kaufvertrags. Der Anwalt hingegen prüft die rechtlichen und steuerlichen Details der Immobilie, wie Eigentumsverhältnisse, Belastungen, Baugenehmigungen und Nutzungsrechte. Er stellt sicher, dass der Kaufprozess rechtlich einwandfrei abläuft. Makler dürfen diese Prüfungen nicht durchführen und handeln meist im Interesse des Verkäufers, nicht des Käufers.
Wann macht es sonst Sinn, einen in Portugal zugelassenen Anwalt einzuschalten?
Dr. Alexander Rathenau:
Neben dem Immobilienkauf ist ein Anwalt hilfreich bei:
- Erstellung oder Anpassung von Testamenten und Vollmachten,
- Klärung steuerlicher Fragen,
- Aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten,
- Unternehmensgründungen,
- Prüfung von Miet- oder Kaufverträgen,
- Vertretung in rechtlichen Streitigkeiten.
Ein Anwalt, der in Portugal zugelassen ist, kennt die lokalen Gesetze und Besonderheiten und schützt so Ihre Interessen umfassend.
Worin unterscheiden sich für „Normalbürger“ das deutsche vom portugiesischen Recht?
Dr. Alexander Rathenau:
Die wesentlichen Unterschiede liegen im:
- Erbrecht: In Portugal gibt es keine feste Pflichtteilsregelung wie in Deutschland.
- Vertragsrecht: Viele Klauseln, die in Deutschland üblich sind, gelten in Portugal nicht.
- Immobilienrecht: Makler in Portugal sind nur dem Verkäufer verpflichtet, und Rechtsanwälte übernehmen die Vertragsgestaltung.
- Steuerrecht: Steuerpflichten und Besteuerung von Einkommen und Immobiliengewinnen sind unterschiedlich geregelt.
- Ein Anwalt kann Ihnen diese Unterschiede detailliert erklären und sicherstellen, dass Sie keine rechtlichen Nachteile haben.
Wann macht es Sinn, sich um die portugiesische Staatsbürgerschaft zu bemühen?
Dr. Alexander Rathenau:
Es lohnt sich, wenn Sie langfristig in Portugal leben und die vollen Bürgerrechte, wie das Wahlrecht, erhalten möchten. Auch für Reisen in portugiesischsprachige Länder oder innerhalb der EU kann die Staatsbürgerschaft vorteilhaft sein. Voraussetzung ist meist ein mehrjähriger Aufenthalt in Portugal (mindestens 5 Jahre) sowie Grundkenntnisse der portugiesischen Sprache.
Welchen Tipp haben Sie als Anwalt für alle, die nach Portugal ziehen wollen und daran zumeist nicht denken?
Dr. Alexander Rathenau:
Ein oft übersehener Punkt ist die Anpassung rechtlicher Dokumente an portugiesisches Recht, z. B. Testamente und Vollmachten. Auch die Beantragung der portugiesischen Steuernummer (NIF) sollte frühzeitig erfolgen, da sie für fast alle rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten in Portugal benötigt wird. Zudem ist es wichtig, sich vorab über Steuerpflichten und Doppelbesteuerungsabkommen zu informieren, um spätere Überraschungen zu vermeiden.
Herr Dr.Rathenau, vielen Dank für das Gespräch.
Foto: eigen
Traumziel Portugal
Einfach mal so auswandern, das geht nicht
Veröffentlicht am: 09.01.2025
Ausdrucken: Artikel drucken
Lesenzeichen: Lesezeichen speichern
Feedback: Mit uns Kontakt aufnehmen
Twitter: Folge uns auf Twitter
Facebook: Teile diesen Beitrag auf Facebook
Hoch: Hoch zum Seitenanfang